Kammerer Hansl
Die Bahnlinie Vöcklabruck - Kammer-Schörfling wird von der Bevölkerung allgemein als Kammerer Hansl bezeichnet.
Daten
Länge 10,9 km, Spurweite 1435 mm, größte Steigung: 21,9 ‰, kleinster Bogenradius: 150 m, größte Radsatzlast: 22,5 t, Meterlast: 6,4 t.
Schon bald nach der Eröffnung der k.k. priv. Kaiserin-Elisabeth-Bahn von Wien nach Salzburg am 12. August 1860 bestand die Idee, zwischen der Westbahn und dem Attersee eine Bahnverbindung zu errichten. Besonders tatkräftig setzte sich die Familie Horvath, Schloss Kammer, ein.
Planung und Bau
Um 1870 gab es die Idee, eine Salzkammergutbahn von Ried über Timelkam-Seewalchen-Kammer-Ischl zu bauen. Die Kohlenflöze des Hausrucks sollten mit den Ebenseer Salinen verbunden werden. Ziel war, den Kohleabsatz auszuweiten, Salz- und Holzverfrachtung zu erleichtern und den Fremdenverkehr zu fördern. Die Linienführung wurde aber aus wirtschaftlichen Gründen abgelehnt, die Trassenführung wurde über Attnang und Gmunden angeordnet.
Die I. Concessionierte–Attersee-Dampfschiffahrtsgesellschaft erlangte am 30. März 1880 die Bewilligung zur Vornahme technischer Vorarbeiten für eine „Lokomotiv-Eisenbahn” von Kammer zum Anschluss an die Kaiserin-Elisabeth-Bahn (Westbahn).
Gräfin Ida gewann für das Bauvorhaben den Ingenieur und Baumeister Miroslav Ritter von Keißler, den Sohn des Erbauers der Westbahn, Karl Ritter von Keißler (1808-1879).
Keißler erhielt im Sommer 1881 die Concession zur Errichtung der k.k. priv. Lokalbahn Vöcklabruck-Kammer. Noch im selben Jahr wurde mit dem Bau begonnen.
Die feierliche Eröffnung der Linie fand am 30. April 1882 statt. Für die Ehrengäste gab es eine Sonderfahrt von Wien nach Kammer, eine Rundfahrt am Attersee und ein Diner im Hotel Kammer.
Die Bahn hat eine Länge von 8,6 km, dazu kommen noch 2,3 km der Westbahnstrecke vom Bahnhof Vöcklabruck bis zur Abzweigung in Oberthalheim (km 250.53), die von der Kammerer Bahn mitbenutzt werden. Zur Sicherung der Fahrten wurde in der Abzweigung 1896 ein Stellwerk mit drei Signalmasten errichtet. Allerdings hatte man in die Künste des Weichenstellers nicht allzu viel Vertrauen. Eine Dienstanweisung aus jener Zeit schrieb vor, dass alle Züge des Kammerer Hansls vor dem Abzweigwechsel anzuhalten hätten, worauf sich die Zugmannschaft von der richtigen Stellung der Weichen überzeugen musste. 1902 erfolgte der zweigleisige Ausbau der Westbahn. Das damals erneuerte Abzweigstellwerk wurde mit den Blockfeldern von der Fahrdienstleitung Vöcklabruck abhängig gemacht.
Privatbahn - Staatsbahn
Die Kammerer Bahn blieb bis zum Jahr 1939 im Besitz der Familie Keißler. 1907 nahm der Staat die Lokalbahn in Pacht und zahlte an die Keißler-Erben jährlich 30.000 Kronen.
Am 1. September 1939 wurde die Bahn verstaatlicht.
Der Betrieb wurde von der Kaiserin Elisabeth-Bahn besorgt. Die Linie war vorerst dem k.k. Oberbetriebsamt in Salzburg unterstellt, ab August 1884 war die Eisenbahnbetriebsdirektion Linz zuständig. Ab 1907, dem Jahr der Aufnahme des Heizhausbetriebes in Attnang-Puchheim, erfolgte von dort der Lokeinsatz. Ab 1933 standen Dieseltriebwagen im Einsatz.
Am 29. Juni 1955 war die Elektrifizierung abgeschlossen.
Haltestellen
1884 wurden weitere Haltestellen in Siebenmühlen (ab 1990 Bezeichnung: „Siebenmühlen-Rosenau“), Pichlwang und beim alten Mauthaus in Timelkam errichtet.
Am 1. Jänner 1903 wurde die Haltestelle Lenzing in Betrieb genommen. Damals war die Höchstgeschwindigkeit mit 34 km/h festgelegt. Am 1. Mai 1909 erhielt der Bahnhof den Namen „Kammer-Schörfling”.
Am 12. September 1909 kam es zum ersten Unglück auf der Kammerer Bahn. Wegen schlechten Unterbaus entgleiste im Bahnhof Kammer die Lokomotive mit drei Waggons. Etliche Personen kamen zu Schaden.
Der Umbau der Haltestelle Lenzing zum Bahnhof erfolgte im Zusammenhang mit dem Bau der Zellwollefabrik ab 1. Oktober 1939. Im Zuge der Elektrifizierung 1955 wurde die Haltestelle Lenzing Ort gebaut.
Ursprünglich war Kammer ein echter Seebahnhof, deren Gleis bis zum Ufer ging, wo man Waren auf das Schiff umladen konnte. Für den Stückgutverkehr wurde 1904 eine kleine Rollbahn errichtet.
Am 18. April 2014 fuhr zum letzten Mal ein Zug bis zum alten Bahnhof nach Kammer-Schörfling (beim Lagerhaus). Danach wurde der Bahnhof für immer geschlossen. In den Folgetagen wurden die Oberleitungen von der Agerbrücke bis zum alten Bahnhof entfernt. Im Juni 2014 wurde die neue Haltestelle an der Ager in Betrieb genommen. Im August 2018 wurden das alte Bahnhofsgebäude und das Bahnwärterhaus abgerissen.
Neue Haltestelle Kammer
Am 6. Februar 2014 wurde in Kammer der Spatenstich zur Errichtung der neuen ÖBB-Haltestelle von Landesrat Reinhold Entholzer und Bgm. Gerhard Gründl durchgeführt.
Der Bahnhof Kammer wird aufgelassen und abgerissen, eine neue Haltestelle in der Nähe der Agerbrücke wird errichtet. Nun ist die Bahnstecke um 620 m kürzer und durch diese Maßnahme können 2 Eisenbahn-Kreuzungen aufgelassen werden. Insgesamt werden rund 17.000 m² an Liegenschaften frei, die ab 2015 zum Verkauf anstehen.
Mit einem Kostenvolumen von 4,5 Mio. Euro wurde ein neuer 100 m langer Bahnsteig errichtet, rund 200 m neue Gleise verlegt, ein Haltestellen-Wartebereich gebaut sowie 33 PKW-Parkplätze und 30 überdachte Fahrradplätze geschaffen.
Am 28. Juni 2014 um 10.50 Uhr rollte der erste Zug in die neue Haltestelle ein. Zahlreiche Besucher kamen zum Festakt, die Eröffnung nahm Landesrat Entholzer vor.
Video: Fahrt von Kammer-Schörfling bis nach Attnang-Puchheim
23 Minuten dauert die Fahrt mit dem Kammerer Hansl. Die gesamte Strecke können Sie hier im Video mitfahren.
Fahrplan in der Geschichte
1882 verkehrten auf der Kammerer Bahn täglich 6 Zugpaare:
ab Kammer: 5.58h 9.00h 11.35h 2.55h 5.05h 8.05h ab Vöcklabruck: 7.09h 10.25h 1.25h 4.15h 5.56h 9.12h
Später wurden die Züge bis Attnang-Pucheim und zum Teil bis Schwanenstadt geführt. Noch in den 1970-er Jahren wurde ein reger Personenverkehr (und Güterverkehr) festgestellt. Danach nahm die Bedeutung der Bahnline immer mehr ab.
Im Fahrplan 1990 verkehrten werktags neun Zugspaare zwischen Attnang und Kammer. Die Fahrzeit betrug ca. 25 Minuten von Attnang und ca. 18 Minuten von Vöcklabruck nach Kammer.
Der sogenannte „Stundentakt” 1991 (alle Stunde fährt ein Zug) brachte letztlich keinen wirtschaftlichen Erfolg.
Ab Herbst 2001 verkehrte nur mehr ein Zugspaar (in Kammer ab 7 Uhr), der sonstige Bedarf wurde durch Busse abgedeckt. Ab 2006 wurde die Zahl wieder erhöht.
2018 verkehrten auf der Kammerer Bahn an Werktagen 9 Zugpaare:
ab Kammer: 6.19h 7.12h 8.39h 10.25h 12.25h 14.25h 16.25h 17.40h 19.25h ab Vöcklabruck: 5.52h 6.52h 8.09h 9.09h 11.09h 13.24h 15.09h 17.09h 18.09h
Der Personenverkehr auf der Kammerer Bahn ist durch Verträge zwischen Land OÖ und den ÖBB bis 2019 gesichert.
Aktueller Fahrplan der ÖBB
Weblinks
Quellen
- Christian Hager: Die Eisenbahnen im Salzkammergut. Wilhelm Ennsthaler Verlag, Steyr 1992;
- Vöcklabrucker Wochenspiegel: Sonderausgabe: 90 Jahre Atterseeverband, 1982;
- OÖ. Tagblatt vom 18.5.1978;
- Hans Dickinger: Geschichte von Schörfling, Marktgemeinde Schörfling am Attersee, 1988