Totenbräuche

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Früher waren auf dem Lande strenge Totenbräuche vorhanden, die beim Tode eines Menschen fast immer eingehalten wurden. Brauch ist eben Brauch und von altersher eingeführt.

Totenwäsche

Stirbt auf dem Lande ein Mann, dann kommen die Nachbarn, waschen den Verstorbenen, balbieren (rasieren) ihn und ziehen ihm ein schwarzes Gewand an, womöglich das Brautgewand, das meistens schon für diesen Zweck aufbewahrt und zurechtgelegt wird. Ist das geschehen, wird das Paradebett gerichtet und der Verstorbene in einem Zimmer aufgebahrt. Das Zimmer wird mit Blumen und Heiligenbildern geschmückt, mit einem Weihwassergefäß, einem Buchsbaumsträußchen als Weihwasserwedel und mit einigen Kerzenleuchtern und brennenden Kerzen ausgestattet. Stirbt eine Frau, vollbringen die Nachbarinnen der Verstorbenen ähnliche Liebesdienste.

Bettstrohverbrennen

Zum Gebetläuten mittags oder abends wird dann das Bettstroh des Verstorbenen, gemeint ist der Strohsack oder der Flaimsack ( Flaim sind die Schalen der Haferähre ), an einer Wegkreuzung verbrannt. Das Bettstrohverbrennen ist vielfach abgekommen, weil es sich heute meistens nicht mehr um einen einfachen Strohsack handelt, auf dem der Verstorbene ruhte und starb, sondern um teure Matratzen, die noch weiter benützt werden können. Wahrscheinlich geht dieses Bettstrohverbrennen auf die Pestzeiten zurück, in denen alles verbrannt werden musste, was mit dem Pestkranken in Verbindung stand, um die Seuche auszumerzen und die Ansteckungsgefahr zu verringern. Warum gerade auf einer Wegkreuzung? Vielleicht, weil auf einer Wegkreuzung der Verkehr der Menschen größer und reger war und die Todesnachricht viel eher und schneller verbreitet werden konnte, da man wusste, was das Bettstrohverbrennen zu bedeuten hatte, oder weil dabei das Kreuz eine Rolle spielte und den Toten als Zeichen des Heiles vor den Nachstellungen und Anfechtungen des bösen Feindes bewahren sollte? Sei’s wie immer, eine Wegkreuzung musste es sein, auf der das Bettstroh verbrannt wurde.

Totenwacht

Im Attergau folgt auf das Bettstrohverbrennen die Totenwacht in drei Nächten hintereinander. Die ganze Nachbarschaft kommt zu dieser Totenwacht zusammen. In der ersten Nacht kommen die verheirateten Männer, in der zweiten die verheirateten Frauen, in der letzten die Ledigen, also Burschen und Mädchen. Es werden bei dieser Totenwacht zunächst zwei Rosenkränze gebetet, dann wird eine Pause eingeschaltet, bei der gegessen und getrunken wird, meistens Kaffee mit Brot, auch Bier und Most werden vorgesetzt. Nach der leiblichen Erquickung wird der dritte Rosenkranz gebetet, der wieder, wie die zwei ersten, mit einer Litanei geschlossen wird. Damit ist die Totenwacht beendet und die Beteiligten suchen ihre Wohnungen auf. Vielfach ist es noch Brauch, dass zwei Männer oder Burschen als Totenwache bis zum Morgen zurückbleiben und Wache halten.

Beerdigungstag

Am Beerdigungstag kommt beizeiten der Totengräber mit dem Sarg, den er früher oft mit dem Radlbock herbeischaffen musste, weil das Totenfuhrwerk meistens von den Nachbarn beigestellt wurde und erst später eintraf. Ist der Totengräber mit dem Sarg zur Stelle wird die Leiche vom Paradebett von Trägern herunter genommen, in den Sarg gelegt, der Sargdeckel darauf gepasst und vom Totengräber der Sarg zugenagelt. Während des Sarglegens werden fünf „Vaterunser“ und „Herr,gib ihm die ewige Ruhe“ gebetet. Dann tragen die Leichenträger den Sarg bis unter die Haustür. Der Sarg wird dreimal gehoben und dreimal wieder gesenkt und dabei „Gelobt sei Jesus Christus in Ewigkeit. Amen“ gesprochen. Das ist der Abschied des Verstorbenen von seiner irdischen Behausung, in der er gelebt, geliebt und gesorgt hatte.

Leichenzug

Nach diesem Abschiednehmen formiert sich der Leichenzug und bewegt sich in langsamem Schrittempo zur Kirche. Auf diesem Totenwege dürfen Kreuzträger und Kutscher des Leichenwagens nicht umschauen. Der alte Fischingergroßvater, vulgo Tischler zu Pabigen, - er ist heute 80 Jahre alt - erzählte mir kürzlich darüber: „Als ich als kleiner Bub einmal bei einer Leich das Kreuz tragen musste, hat man mir streng aufgetragen: „Seppl, schau dich ja nicht um, sonst musst du sterben!“ Und er fügte hinzu: „Denn wenn die beiden, Kreuzträger und Kutscher umschauten, so meinte man, der Tote würde sich umschauen nach ein paar Lebenden und die müssten ihm nachfolgen und sterben. Aber das ist wohl Aberglaube.“

Totenmahl

Der Beisetzung auf dem Friedhof folgt das Totenmahl im Wirtshaus. Auch dort werden gewisse Bräuche eingehalten. Das Totenmahl ist frei, auch das Getränk bis zum Beten nach dem Mahl, was man nachher trinkt, muss aus eigener Tasche bezahlt werden. Das Totenmahl besteht meistens aus Rindsbeuschel mit Konduktwecken oder auch aus Knackwurst in Nudelsuppe und Konduktwecken zum Einbrocken. Ist gespeist, dann wird gebetet. Meistens dauert so ein Totenmahl bis 12 Uhr mittags, so dass dieses Dankgebet mit einem „Engel des Herrn“ begonnen wird. Es folgt ein „Vaterunser“ für den Verstorbenen, das nächste für die Verwandtschaft, ein weiteres für die armen Seelen im Fegefeuer, ein viertes statt des Vergeltsgottsagens für das Mahl und zuletzt ein „Vaterunser“ für den, der aus der Mitte der Versammelten zuerst sterben wird. Mit diesem letzten „Vaterunser“, der den meisten ins Gemüt fällt, weil niemand weiß, wer gemeint ist und wer zuerst drankommt, schließt die Totenzehrung, während der Alltag wieder beginnt und das Leben seinen gewohnten Lauf nimmt.

Quellen

  • Aus „Josef Hufnagl, Erzählungen, Geschichten, Erlebnisse und Gedichte“, von Johann Dopler, Weißenkirchen i.A., Eigenvervielfältigung
  • Heimatkundliche Sammlung von OSR Kons. Herbert Saminger
  • Der Beitrag wurde beinahe gleichlautend in der Zeitschrift „Die Heimat“, Nr. 58, Ried i.I. 1964, abgedruckt.