Tragödie von Aurach
Eine unvorstellbare Tragödie ereignete sich zu Kriegsende am 5. Mai 1945 in Aurach am Hongar. Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurden am Buchberg zwei heimkehrende Soldaten aus Lenzing erschossen. Ein noch anwesendes Deutsches Wehrmachtskommando verhaftete die beiden Heimkehrer, weil sie weiße Armbinden trugen. Augenzeugen berichten, dass sie sich selber ihr Gab an dieser Stelle schaufeln mussten.
Berichte
Franz und Ernst Kofler, 12 und 10 Jahre alt, berichten
Die beiden Soldaten waren Anton Gaisberger, ein Schwager unserer Mutter Amalia Kofler und ihr Neffe Johann Stockinger. Anton Gaisberger war unser Firmpate. Gegen Ende des Krieges trafen sich beide zufällig in Wien und gelangten zu Fuß nach Hause. Die amerikanischen Panzer fuhren auf Ihrem Vormarsch von Schörfling über Grafenbuch an Aurach vorbei, sodass sich hier eine Gruppe SS-Soldaten halten konnte. Am Samstag, den 5. Mai 1945, besuchten uns (beim Schallmeiner in Raschbach 14) Gaisberger und Stockinger auf einer Puch 200. Aus Freude über das Ende des Krieges, weil ja in Lenzing schon alles vorbei war, trugen sie rot-weiß-rote Armbinden. Auf einem Pferdewagen fuhren wir am Nachmittag mit unserem Vater zum Mair in Thal, weil wir dort etwas holen wollten. Die beiden waren auf dem Motorrad schon voraus gefahren. Eigentlich wollte einer von uns statt Johann Stockinger mit unserem Göd auf dem Motorrad mitfahren und hatten schon die rot-weiß-rote Armbinde um. Unser Vater erlaubte es aber nicht. Als wir beim Riedl vorbeifuhren, sahen wir das Motorrad neben dem Haus stehen, dabei eine Gruppe Soldaten mit Hauptmann "Brucher" (wie man später erfuhr). Unser Vater fuhr mit uns weiter, in Lenzing kamen Anton und Hansl aber nicht an. Auf der Heimfahrt war beim Riedl nichts mehr zu sehen.
Bericht von Pfarrer Staflinger in der Pfarrchronik
Für Aurach möchte ich in diesen Zeilen festhalten, was Aurach in den letzten Tagen dieses fürchterlichsten aller Weltkriege noch verspüren musste. Am 4. Mai war das Gasthaus in Kasten bereits voll von fröhlichen Engländer, die als Gefangene Holzarbeit verrichten und ihre Befreiung schon erfahren hatten und von Russen, die in unserer resp. Deutscher Wehrmacht gedient hatten und jetzt in Ahnung der kommenden Tage desertiert waren. Gegen Abend hörte man bereits das Schießen der amerikanischen Panzerverbände, die in unglaublichem Tempo von Bayern her eingerückt waren. Abends war am 4.5.1945 Schörfling und Vöcklabruck bereits von der amerikanischen Panzerarmee genommen, eigentlich befreit und besetzt. Vom Turm und Häusern wehten dort die weißen Fahnen, Zeichen der kampflosen Übergabe an die Amerikaner. Es schien, als ob Aurach ganz friedlich in die neue Zeit hinüberkommen könnte. Wochen zuvor war Aurach das Standquartier einer Kompanie eines Nachschubverbandes. In Jetzing und Illingbuch waren Telefon- und Funkabteilungen einquartiert, im Pfarrhofe Sanität. Am Samstag, 5. Mai wollte auch hier die Beflaggung mit weißen Fahnen einsetzen, doch ein Hauptmann, der sich als Ritterkreuzträger ausgab, verbot das mit vorgehaltenem Revolver.
Zwei vom Mair im Thal, Pfarre Seewalchen, kommende Motorradfahrer, selber Kriegsteilnehmer und verwundet, machten hier um die Mittagszeit einen Besuch bei ihren hier wohnenden Verwandten. Sie hatten rot-weiß-rote Armbinden, da ja in Lenzing alles gut vorübergegangen war und fuhren mit ihrem Motorrad nichts ahnend durch unseren Pfarrort. Auf ihrer Rückfahrt um 3 Uhr Nachmittag wurden sie von diesem Hauptmann und einigen Soldaten unter Mitwirkung hierorts stationierter Soldaten vom Motorrad geschlagen, arg misshandelt und im Militärauto nach dem Buchberg gebracht (Kasten) und dort in bestialischer Weise mit Gewehren erschossen (jeder 3-4 Schüsse) und im Lehner-Hölzl notdürftig eingescharrt.
Dieser Hauptmann hielt um 4 Uhr Nachmittag (5.5.) am Orte nach dieser Zeit noch eine Versammlung und verbot das Hissen der weißen Fahnen und betonte, dass der Ort nicht kapitulieren darf, sondern verteidigt wird. Abends am gleichen Tage verschwand er im Orte nach vollbrachtem scheußlichem Doppelmord unerkannt. Sonntag 6.5. in aller Morgenfrühe waren die ganzen Soldaten unter hissen der weißen Flaggen an ihren Autos schnellstens weggefahren. Vormittag war ganz Aurach weiß beflaggt. Zum Glück war noch kein amerikanischer Panzer zuvor nach Aurach gekommen. Nachmittag hat man die unschuldigen Opfer dieser Blutgier ausgegraben und bis Do., 10.5. waren sie im Totenhause untergebracht und dann nach Seewalchen zur Beerdigung überbracht worden.
Gendarmerieposten Schörfling am Attersee
Über den Tod der beiden Lenzinger ist in der Chronik des Gendarmeriepostens Schörfling am Attersee vom 5.5.1945 folgendes vermerkt:
Um ca. 14 Uhr fuhren auf einem Motorrad zwei Männer in Zivilkleidung mit rotweißroten Armbinden, und zwar der am 13.11.1927 geborene Bauernsohn Johann Stockinger aus Thal Nr. 4, Gemeinde Agerzell, und der in diesem Hause wohnhafte Schwager Anton Gaisberger, am 25.3.1907 geboren, welche beide eingerückt waren, aber durch das Einrücken der Amerikaner bereits Kriegsschluss gemacht hatten, von Raschbach kommend durch Aurach. Der Ritterkreuzträger, der dies wahrnahm oder wahrnehmen ließ, hat das Anhalten des Fahrzeuges angeordnet und dann die 2 Männer wegen des Tragens der rot-weiß-roten Armbinden und der ihnen aus diesem Grunde zur Last gelegten Feigheit kurzerhand zum Tode verurteilt.
Die 2 Männer wurden sogleich mit einem Lastauto in Richtung Kasten auf den sogenannten Buchberg geführt und dort von mehreren Soldaten erschossen. Die Leichen wurden dann gleich in den nächstgelegenen Hohlweg verschafft. Die beiden Männer aus Thal bei Lenzing hatten aus Freude über das Kriegsende und ihr glückliches Durchkommen ihre Verwandten auf dem Schallmeinergute mit Namen Kofler besucht und befanden sich wieder auf dem Heimweg nach Thal.
Gedenkstein
Der Kulturausschuss der Gemeinde Aurach setzte im Gedenken an die beiden Lenzinger, die wegen ihrem Bekenntnis zu Österreich hingerichtet wurden, im Jahr 2005 einen Gedenkstein neben dem Kriegerdenkmal im ehemaligen Friedhof.
Marterl am Buchberg
Diese Steinsäule befindet sich rechts neben der Buchbergstraße. Errichtet wurde sie von den Hinterbliebenen der Opfer.
Quellen
- Die Flur- und Kleindenkmäler in der Gemeinde Aurach am Hongar
- Pfarrchronik von Aurach
- Kofler Franz und Ernst
- "Täter und Opfer" - Nationalsozialistische Gewalt und Widerstand im Bezirk Vöcklabruck 1938-1945, herausgegeben von Mauthausen-Komitee-Vöcklabruck