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Version vom 30. Mai 2019, 19:44 Uhr
Über 30 Jahre war „der Lachinger“ ein bekanntes und beliebtes Kaufhaus im Müllnerweg in Seewalchen am Attersee.
Das Kininghaus
Im Jahr 1953 kauften die gerade verheirateten Rudolf und Paulina Lachinger von Amalia Schiemer das „Kininghaus“ in Seewalchen 23 (später Müllnerweg 1). Die Familie Schiemer betrieb dort seit langem eine kleine Gemischtwarenhandlung mit Tabak Trafik. Nun sollte dort eine neues Wohn- und Geschäftshaus entstehen. Das alte Kininghaus wurde abgerissen, ein Neubau entstand und ab Ende 1953 wurde das Kaufhaus Lachinger eröffnet.
Eigentlich war dies auch eine Standortverlegung des Geschäftes Kolm. Seit den frühen 1920er Jahren führte die Familie Kolm eine Greißlerei in der Seyrlstraße. Paulina Lachinger, eine geborene Kolm, sollte das Geschäft ihrer Eltern an diesem neuen Platz übernehmen, da zu Hause durch die expandierende Molkerei ohnehin jeder Raum gebraucht wurde.
Rudolf Lachinger
Rudolf Lachinger war einer von vier Söhnen des Seewalchner Zimmermanns Franz Lachinger (Hatschekstraße). Nach der Schule erlernte er das Bäcker- und Zuckerbäckerhandwerk beim Hüttmayr in der Hauptstraße. Es folgte der Krieg, wo er als Gebirgsjäger am Kaukasus eingesetzt war. Nach seiner Rückkehr 1945 wurde er Schilehrer am Arlberg. In den Sommermonaten betrieb er in Seewalchen eine Wasserschischule. Nach seiner Heirat wurde er selbständiger Kaufmann in Seewalchen.
Die ersten Jahre
Genaugenommen gab es am Anfang zwei Geschäfte. Der Milchverkauf der Molkerei Kolm, bei dem offene Milch mit einer Pumpe in Kannen oder Flaschen abgefüllt wurde, musste nach den geltenden Bestimmungen von der Lokalität der Gemischtwarenhandlung getrennt sein. Daher hatte der Verkaufsraum auch zwei Außentüren und war durch eine Glaswand geteilt. Im östlichen, hinteren Teil befand sich neben dem Milchverkauf auch eine kleine „Milchbar“ mit Sitzgelegenheit. Das Geschäft selbst war gleich anschließend Richtung Westen.
Da Familie Lachinger hatte vom Kolm das gesamte Sortiment übernommen. Dazu gehörte neben Milch und Lebensmitteln auch ein Kohlenhandel.
Kohlenhandel
Der Verkauf der Kohle brauchte ein Lager. Dieses war im länglichen Gebäude in der Hatschekstraße untergebracht. In mehreren Boxen befanden sich Kohle, Briketts und Koks. Von diesen Boxen wurde die Kohle in Säcke gebracht oder händisch auf den LKW geschaufelt. Meist wurde das Brennmaterial zugestellt, wofür eine kleine Zustellgebühr von 30 bis 40 Schilling je Tonne verrechnet wurde.
Beim Verbraucher angekommen wurde die Kohle entweder abgeladen bzw. in Säcken ins Haus gebracht. Eine mühsame Arbeit! Die Lieferung der Kohle auf die Insel Litzlberg, die mit Säcken über den langen Steg gebracht werden musste, blieb den Betroffenen lange in Erinnerung.
Im Jahr 1971 - nach dem Tod seines Vaters, der ein unersetzbarer Helfer war - wurde der Kohlenhandel eingestellt.
Ein Kaufgeschäft im Umbruch
Mitte der 1950er Jahre wurde mit dem Quelle-Kaufhof in Vöcklabruck der erste Supermarkt im Bezirk errichtet. Die „Selbstbedienungs-Idee“ erreichte bald auch Seewalchen. Der damalige Funktionär der Kaufmannschaft, der Schörflinger August Mayer, meinte zur Familie Lachinger, dass diese neue Art des Verkaufens die Zukunft sei und es sicher notwendig sein werde, die Geschäfte auf diese, bis jetzt ungewohnte Art umzustellen.
Mit dem Ende des offenen Milchverkaufs war die Teilung des Geschäftes entbehrlich und aus dem ursprünglichen Bedienungsgeschäft entstand der erste Selbstbedienungsladen der Gemeinde und der ganzen Umgebung. Die neue Form, von manchen anfänglich mit Skepsis oder Unverständnis gesehen, wurde bald angenommen.
Die Kaufleute Lachinger setzten auf Qualität und das Sortiment war beachtlich. Neben den üblichen Lebensmitteln wurde Brot und Gebäck (vom Ulm, Stiefsohn oder Trückl) verkauft, natürlich gab es auch Wurst (in Bedienung) oder Feingebäck vom Ottet in Schörfling.
Eine Besonderheit war, dass man beim Lachinger auch Schier bekam. Die Beziehungen des Schilehrers Lachinger aus seiner Zeit am Arlberg fanden nun Seewalchen ihren Niederschlag.
Am 31. Jänner 1985 gingen die Kaufleute in Pension und das Kaufhaus Lachinger schloss für immer seine Pforten. Die Leute mussten woanders einkaufen, zum Beispiel in dem im August zuvor eröffneten Konsum in der Hauptstraße.
Erinnerungen
- Das Geschäft war auch ein beliebter Treffpunkt für Stammkundinnen, die nicht nur wegen eines Einkaufs, sondern auch wegen des doch so notwendigen Meinungsaustausches ins Geschäft kamen.
- Da konnte es schon vorkommen, dass jemand justament gerade jetzt ganz dringend noch drei Deka Wurst brauchte, wenn rein zufällig auch gerade einige andere Damen im Geschäft waren. Und wenn das eine oder andere Gespräch in die Tiefe ging und einfach mehr Zeit brauchte, wenn man eigentlich schon am Herd stehen sollte – Rudolf Lachinger empfahl dann das eine oder andere Produkt, was sehr schnell zubereitet werden konnte und zu Mittag fertig war.
- Ein Kaufmann hatte zwar großes Ansehen, der Beruf brachte aber auch lange Arbeitstage. Der Gemüsehändler kam um 4 Uhr früh und kurz darauf der Molkereiwagen. Die Ware musste nun ins Geschäft gebracht und dann so präsentiert werden, dass man sie um ½ 8 Uhr auch verkaufen konnte. Und nach Geschäftsschluss war auch noch nicht Feierabend für die Kaufleute.
- Die Mengenkalkulation war gerade in den Sommermonaten schwierig. War das Wochenende wider Erwarten und trotz guter Vorhersage nicht schön, sondern schlecht und regnerisch, blieben die Wochenendgäste zu Hause und der Kaufmann auf der Ware sitzen. „Ich erinnere mich an eine ganze Reihe von Wochenenden“, fiel der Tochter des Hauses wieder ein, „an denen es im Wesentlichen nur Salat und Fleckerlspeis gab.“
Quellen
- Paulina Lachinger
- Susi Lachinger