Arbeitsordnung der Glasfabrik Freudenthal: Unterschied zwischen den Versionen
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Jeder Hilfsarbeiter ohne Unterschied des Alters und Geschlechtes hat sich vor der definitiven Aufnahme in die Fabrik mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitsbuche zu versehen, welches beim Eintritt in die Arbeit von dem Fabriksbesitzer oder dessen Stell- vertreter gegen Ausstellung eines Scheines in Aufbewahrung genommen wird. Kinder vor vollendetem 14. Jahre werden überhaupt in die Fabrik nicht aufgenommen. Ueber sämmtliche Hilfsarbeiter wird ein Verzeichniß geführt, welches Vor = und Zuname, Alter, Heimatsgemeinde, Gemeinde, welche das Arbeitsbuch ausgestellt hat, Eintritt in die Fabrik, Name des früheren Arbeitsgebers, Verwendungsart des Hilfsarbeiters, Krankenkasse, welcher der Arbeiter angehört und Austritt aus der Fabrik enthält. | Jeder Hilfsarbeiter ohne Unterschied des Alters und Geschlechtes hat sich vor der definitiven Aufnahme in die Fabrik mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitsbuche zu versehen, welches beim Eintritt in die Arbeit von dem Fabriksbesitzer oder dessen Stell- vertreter gegen Ausstellung eines Scheines in Aufbewahrung genommen wird. Kinder vor vollendetem 14. Jahre werden überhaupt in die Fabrik nicht aufgenommen. Ueber sämmtliche Hilfsarbeiter wird ein Verzeichniß geführt, welches Vor = und Zuname, Alter, Heimatsgemeinde, Gemeinde, welche das Arbeitsbuch ausgestellt hat, Eintritt in die Fabrik, Name des früheren Arbeitsgebers, Verwendungsart des Hilfsarbeiters, Krankenkasse, welcher der Arbeiter angehört und Austritt aus der Fabrik enthält. | ||
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== Quelle == | == Quelle == | ||
*Konsulent OSR Herbert Saminger, Sammlung zum Museum „Freudenthaler Glas“, Weißenkirchen i.A. | *[[Herbert Saminger|Konsulent OSR Herbert Saminger]], Sammlung zum Museum „Freudenthaler Glas“, Weißenkirchen i.A. | ||
== Weblinks == | == Weblinks == |
Aktuelle Version vom 19. Oktober 2022, 12:09 Uhr
Die Arbeitsordnung der Glasfabrik Freudenthal von 1886 wird hier unverändert wiedergegeben. Die Schreibweise entspricht dem Originaldokument. Die Freudenthaler Arbeitsordnung gibt einen sehr guten Einblick in die Arbeitswelt des ausgehenden 19. Jahrhunderts. In der Glasfabrik Freudenthal, Gemeinde Weißenkirchen im Attergau, entstand die erste organisierte Arbeiterbewegung des Bezirkes Vöcklabruck.
Titel
Z. 836 f. Wird im Sinne des §.88/a des Gesetzes vom 8. März 1885 , R.G.Bl. Nr. 22 gewerbebehördlich vidirt. k.k. Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (Oböst.) am 16. November 1886. Für den k.k.Bezirkshauptmann: Wacha m.p.
Arbeits-Ordnung der Glas=Fabrik Freudenthal in Oberösterreich
I. Aufnahme.
Jeder Hilfsarbeiter ohne Unterschied des Alters und Geschlechtes hat sich vor der definitiven Aufnahme in die Fabrik mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitsbuche zu versehen, welches beim Eintritt in die Arbeit von dem Fabriksbesitzer oder dessen Stell- vertreter gegen Ausstellung eines Scheines in Aufbewahrung genommen wird. Kinder vor vollendetem 14. Jahre werden überhaupt in die Fabrik nicht aufgenommen. Ueber sämmtliche Hilfsarbeiter wird ein Verzeichniß geführt, welches Vor = und Zuname, Alter, Heimatsgemeinde, Gemeinde, welche das Arbeitsbuch ausgestellt hat, Eintritt in die Fabrik, Name des früheren Arbeitsgebers, Verwendungsart des Hilfsarbeiters, Krankenkasse, welcher der Arbeiter angehört und Austritt aus der Fabrik enthält.
Ueber die jugendlichen Hilfsarbeiter wird ein eigenes Verzeichniß geführt, welches Name, Alter und Wohnort dieser Hilfsarbeiter, Namen und Wohnort der Eltern, beziehungsweise Vormünder, sowie Eintritts= und Austrittszeit enthält.
Arbeiterkategorien.
Magazineur,Schmelzer,Glasmacher=Lehrjungen,Steller,Einträger,Bratofen= (Generator)Schürer und Glasofen=Schürer, Glasschleifer, Glasgraveure, Formenmacher, Hafenmacher, Packer, Einbinderinnen.
II. Verwendung der Frauenspersonen und jugendlichen Hilfsarbeiter als Einbinderinnen und Glaseinträger.
Zur Nachtzeit, das ist von 8 Uhr Abends bis 5 Uhr Morgens werden Frauenspersonen ( und zwar nicht nur jugendliche, sondern auch erwachsene) zu keiner Arbeit verwendet.
Wöchnerinnen werden erst nach Verlauf von vier Wochen nach ihrer Niederkunft zur regelmäßigen Arbeit in der Fabrik verwendet.
Jugendliche Hilfsarbeiter bis zum vollendeten 18. Lebensjahre sind verpflichtet, die Abend= und Sonntagsschule, eventuell auch den bestehenden gewerblichen Fortbildungskurs zu besuchen und wird ihnen die hiezu erforderliche Zeit seitens des Fabriksinhabers oder dessen Stellvertreters eingeräumt.
III. Allgemeine Verhaltungsregeln.
Die Arbeiter haben sich allenthalben und gegen Jedermann anständig, insbesondere aber aufrichtig und folgsam gegen ihren Arbeitsgeber und dessen Stellvertreter zu verhalten.
Jeder Arbeiter ist verpflichtet, die ihm allfällig zum Nutzgenuß zugewiesenen Wohnungsräumlichkeiten und Grundstücke in gutem Stande zu erhalten und insbesondere in Ersteren sich mit seiner Familie größter Ordnung und Sauberkeit zu befleißen. Desgleichen ist jeder Arbeiter für die sorgfältige Bewahrung und bestmöglicher Schonung ihm übergebener Fabriks=Requisiten verantwortlich und zum Ersatz allfällig sich ergebender Abgänge oder Beschädigungen an den Fabriks=Utensilien verpflichtet.
Die Arbeiter untereinander haben sich stets verträglich zu benehmen und für ein gleiches Betragen ihrer Angehörigen zu sorgen. Die jüngeren Arbeiter, als Lehrjungen, Gehilfen, Einträger u.s.w. haben den Aelteren die diesen geziemende Achtung zu erweisen.
Körperliche Mißhandlungen, Willkürlichkeiten und Beschimpfungen sind strengstens untersagt. Die Eltern, beziehungsweise deren Stellvertreter, sind für das Wohlverhalten ihrer noch unmündigen Kinder mitverantwortlich und im Falle eines durch dieselben verursachten Schadens, zum Ersatz verpflichtet.
Wenn Streitigkeiten zwischen den Arbeitern oder deren Angehörigen entstehen, so haben dieselben vorerst ihre Beschwerden dem Fabriksherrn oder dessen Stellvertreter vorzutragen, welche sich bemühen werden, den Streit in gütlicher Weise beizulegen; erst wenn ein solcher Versuch ohne Erfolg bleiben sollte, steht es den hiebei Betheiligten frei, die Hilfe des Gerichtes in Anspruch zu nehmen.
Die Beherbergung fremder, nicht zur Fabrik gehöriger Personen in den Häusern der Arbeiter oder in der Fabrik und deren anderweitigen Etablissements ist den Arbeitern, ohne vorher eingeholte Erlaubniß des Fabriksherrn oder dessen Stellvertreters, strengstens untersagt. Ebenso die Einführung von Fremden in die Fabrik oder deren anderweitige Etablissements nur mit Bewilligung des Fabriksherrn oder dessen Stellvertreters statthaft.
Erhaltene Lohnvorschüsse hat der betreffende Arbeiter nach Vereinbarung zurückzuzahlen; besteht hierüber keine Vereinbarung, so ist der Arbeiter verpflichtet, mindestens ein Fünftel von seinem Verdienste bis zur gänzlichen Tilgung seiner Schuld bei der sogenannten Kostgeldauszahlung zurückzulassen.
Neu aufgenommene Arbeiter haben pünktlich zur bedungenen Zeit in die Arbeit einzustehen, widrigens dieselben für allen, durch ihren verspäteten Eintritt verursachten Schaden, ersatzpflichtig werden.
IV. Besondere Verhaltungsmaßregeln der Glasmacher.
Jeder Glasmacher hat sich das nöthige Arbeitswerkzeug selbst anzuschaffen. Jeder Glasmacher verpflichtet sich einen ordentlichen, verläßlichen Gehilfen und Einträger zu halten, die er von seinem Verdienste bezahlt und für die er in Bezug auf ihre Arbeitsleistung verantwortlich bleibt. Die Aufnahme oder Entlassung eines Gehilfen oder Einträgers erfolgt unter Zustimmung oder auf begründetes Verlangen des Fabriksherrn oder dessen Stellvertreters und wird die Zustimmung nur in begründeten Fällen verweigert.
Die Glasmacher sind gehalten: zum pünktlichen Erscheinen in der Fabrik beim Abgehen lassen, zur sorgfältigen Ausführung der ihnen aufgegebenen Arbeit und zur Ueberwachung ihrer Gehilfen und Einträger während der Arbeitszeit.
Beim Hafeneintragen haben alle Glasmacher mit ihren Gehilfen zugegen zu sein und hat jeder derselben die ihm zugewiesene Verrichtung hiebei zu vollziehen.
Die Glasmacher und Glasmacherlehrlinge sind verpflichtet, die ihnen zugewiesenen Hafen vom Eintragen an bis zu ihrem Ersatz sorgfältigst zu behandeln. Sollte ein Hafen während der Schmelzzeit schadhaft werden, so muß der betreffende Glasmacher auf Verlangen des Vorgesetzten oder des Schmelzers sofort beim Glasofen erscheinen, um den Hafen thunlichst in wieder brauchbaren Zustand zu versetzen.
Bei Zuweisung einer Arbeit nach Muster, Zeichnung oder Maßerei u.s.w. hat der betreffende Arbeiter vorher ein bis drei Probestücke anzufertigen und erst nach gewonnener Ueberzeugung, daß die Probestücke den angegebenen Bedingungen genau entsprechen, die Arbeit in dieser Gattung fortzusetzen.
Für nicht genau nach Angabe gearbeitetes Glas, desgleichen für eigenmächtig, oder über die Vorschrift mehr gefertigtes Glas, hat der betreffende Arbeiter keinen Anspruch auf Entlohnung und ist verpflichtet, etwa hiedurch verursachten Schaden zu ersetzen.
Die Glasmacher sind verpflichtet, ihre Glashafen rein auszuarbeiten, die während der Arbeit gebrauchten Muster, Zeichnungen, Maßereien und Mödel u.s.w. nach derselben an den hiezu bestimmten Aufbewahrungsort unbeschädigt zurückzustellen.
Das von der Pfeife abgeschlagene fertige Glas ist unter Aufsicht des Glasmachers auf das Sorgfältigste in die Kühltöpfe oder Oefen einzutragen und darinnen in gehöriger Wärme zu erhalten. Die ausgehobenen Kühltöpfe sind sogleich mit Blechdeckeln zu schließen.
Jeder Arbeiter hat für einen genügenden Vorrath an Kühltöpfen, Schmelz= und Arbeitskuchen, wozu das Material von der Fabrik beigestellt wird, zu sorgen und die Ausnahme des Glases aus den Kühltöpfen oder Oefen, vor dessen vollständiger Abkühlung, weder selbst zu veranlassen, noch Anderen zu gestatten.
Das fertige, beziehungsweise eingebundene Glas, ist von dem Glasmacher nach Anordnung des Vorgesetzten aus der Einbindstube in das Magazin oder zum Packplatz abzutragen, beziehungsweise an die Glasgraveure oder Schleifer unter Vermittlung der betreffenden Vorgesetzten zu übergeben.
Die Glasmacher haben mit ihren Gehilfen ( Stellern ) und Einträgern sogleich nach dem Abgehenlassen in der Fabrik zu erscheinen und sich deshalb schon früher um die Zeit des Abgehenlassens beim Schmelzer zu erkundigen. Die Länge der Arbeitszeit vom Abgehenlassen bis zum Feierabend wird innerhalb der bestehenden gesetzlichen Vorschriften von der Fabriksleitung bestimmt und beträgt nicht über 12 Stunden innerhalb 24 Stunden.
Während der Arbeitszeit sollen die Glasmacher keine anderen als die zur Einnahme der üblichen Mahlzeiten und zur Vorwärmung der frisch eingesetzten Kühltöpfe nöthigen Ruhepausen machen, sie sollen bestrebt sein, in der gegebenen Zeit ihre Hafen möglichst rein auszuarbeiten. Am Feierabend, vor ihrem Abgange aus der Fabrik haben sie die Hafen für die kommende Schmelze gehörig zu setzen, sowie die Töpfe aus den Kühlöfen auszuheben.
V. Besondere Verhaltungsregeln der Glasmacher=Lehrjungen.
Diese haben eine dreijährige Lehrzeit und theilt jeder Lehrjunge die Werkstätte mit einem zweiten Lehrjungen.
Dieselben sind auf Anordnung ihrer Vorgesetzten verpflichtet, sich außer dem Glasmachen auch zu anderweitigen Arbeiten in der Fabrik gegen entsprechende Entlohnung verwenden zu lassen.
Bei der Aufnahme wird mit denselben ein Lehrvertrag ( Aufnahmschein ) geschlossen.
VI. Besondere Verhaltungsregeln der Glasmacher = Gehilfen und Einträger.
Dieselben haben sogleich nach dem Abgehenlassen sich beim Glasofen einzufinden, die betreffenden Werkstätten mit deren Vorplätzen rein und staubfrei zu machen, die Werkzeuge und Mödel herzurichten und vorzubereiten, die Tröge mit Wasser zu füllen, das nöthige trockene Einfeuerholz für die Kühlöfen herbeizuschaffen u.s.w. Nach der Arbeit sind von ihnen die Werkstätten zu räumen, Werkzeuge, Mödel u.s.w. an ihre Aufbewahrungsorte zu bringen, am Boden liegende Glasscherben aufzulesen u.s.w. Die Glasmacher=Gehilfen und Einträger haben sich stets ruhig und anständig zu verhalten, sie unterstehen in erster Linie den Glasmachern, denen sie in allen Fabriksarbeiten pünktlich Folge zu leisten haben.
VII. Besondere Verhaltungsregeln des Schmelzers.
Derselbe hat für den richtigen Gang des Ofens während der Schmelzzeit zu haften, das Schürerpersonal in der Fabrik zu überwachen, wie überhaupt die Ordnung in derselben herzuhalten. Er ist verpflichtet, über die Verwendung der Schmelzmaterialien gewissenhaft Aufschreibung zu führen und bei Herbeischaffung derselben in die Zurichtkammer oder in das Vorrathsmagazin mit Hand anzulegen. Der Schmelzer hat den Ofen stets in möglichst gutem Stande zu erhalten und während der Hitze alle nöthig werdenden Ausbesserung desselben mitbesorgen zu helfen. Er hat dafür zu sorgen, daß die Hafen beim Abgehenlassen gefüllt sind, und seinen größten Fleiß daran zu wenden, ein schönes Glas zu schmelzen. Es ist seine Sorge, die Glashafen im Ofen möglichst lange in gutem Zustande zu erhalten, für den Fall eines Hafenbruches sogleich das Nöthige vorzukehren, um größeren Schaden zu verhüten und den Hafen nach Thunlichkeit in wieder brauchbaren Zustand zu versetzen, wobei ihm – bis zur Ankunft des betreffenden Glasmachers – insbesondere die Schürer helfend zur Hand stehen sollen. In der Zuricht= und Materialkammer hat der Schmelzer stets die größte Ordnung und Reinlichkeit herzuhalten und bei Bereitung der Glasgemenge seinen ganzen Fleiß anzuwenden. Dem Schmelzer obliegt auch das Ausbrennen und Sortieren der Glasscherben, das Trocknen des Sandes u.s.w. Beim Eintragen der Glashafen hat er helfend zur Seite zu stehen und nach demselben übernimmt er sogleich die verantwortliche Leitung des Glasofens. Die Arbeitszeit des Schmelzers überschreitet das gesetzliche Maximum von 84 Stunden per Woche nicht.
VIII. Verhaltungsregeln des Schürerpersonales.
Sowohl der Bratofenschürer ( Generatorheizer ) als die Glasofenschürer unterstehen dem Schmelzer, dessen Anordnungen sie pünktlich zu befolgen haben. Während der Arbeit der Glasmacher sind sie verpflichtet, sich bezüglich des Ofenganges den Wünschen dieser letzteren zu fügen, es wären ihnen von Seite der Vorgesetzten direkte Aufträge in dieser Beziehung ertheilt worden.
Die Schürer arbeiten in zwei Schichten:
a) die Tagschichten von 6 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends,
b) die Nachtschichten von 6 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens.
Der wöchentlich einmal nothwendige Wechsel der Tag=und Nachtschichten erfolgt dadurch, daß jeden Samstag je eine halbe Schicht gemacht wird.
Die Bratofenschürer haben für den ständigen Wasservorrath bei den Bratöfen ( Generatoren ) und bei den vorhandenen Feuerlöschrequisiten zu sorgen, die Dörröfen ( Generatoren ) in gutem Gang zu erhalten und in solchem einander auch zu übergeben.
Den Bratofenschürern ( Generatorheizern ), beziehungsweise den Einschürern, obliegt weiters auch das Räumen der Aschenkanäle, das Brennen der Glashafen, der Thonerde und Ziegel u.s.w., endlich das Aufwecken der Glasmacher, ihrer Gehilfen und Eingeher beim Abgehenlassen, des Schmelzers am Feierabend der Glasmacher. Die Schürer haben beim Eintragen der Hafen, beim Ausbessern des Ofens während der Hitze, beim Auf0 und Abladen der Kisten, Steigen und Fässer in der Fabrik und deren Nebengebäuden behilflich zu sein. Sie haben dem Schmelzer auf dessen Verlangen jederzeit helfend beizustehen, so insbesondere beim Zu= und Abtragen der Gemengtröge, beim Einlegen des Glasgemenges und der Glasscherben, beim Ablöschen der Schöpfkellen, beim Ausschöpfen eines Glashafens, beim Setzen oder Kaltvermachen während der Schmelzzeit.
IX. Besondere Verhaltungsregeln der Glasschleifer und Glasgraveure.
Dieselben haben sich das nöthige Arbeitswerkzeug und die sonstigen Arbeitsmaterialien auf eigene Kosten anzuschaffen und in leistungsfähigem Zustande zu erhalten, dieselben können sich mit Erlaubniß des Fabriksherrn ordentliche brauchbare Gesellen halten, sowie mit Lehrverträgen aufgenommene Lehrjungen einstellen, die sie von ihrem Verdienste bezahlen und für deren Arbeit und sonstige Aufführung sie verantwortlich bleiben. Die Aufnahme und Entlassung eines Gesellen oder Lehrjungs erfolgt unter Zustimmung oder auf begründetes Verlangen des Fabriksherrn, beziehungsweise dessen Stellvertreters und wird die Zustimmung nur in begründeten Fällen versagt.
Die Glasschleifer haben insbesondere für gute Instandhaltung des Schleifwerkes Sorge zu tragen, eintretende Mängel desselben unverzüglich dem Fabriksherren oder dessen Stellvertreter zu melden.
Glasschleifer und Graveure haben die ihnen zugetheilte Arbeit mit aller Sorgfalt und Genauigkeit auszuführen, damit das von ihnen abgelieferte Glas sowohl bezüglich des Schliffes oder Schnittes, als der vorgeschriebenen Maßhältigkeit und Form anstandslos befunden werde; gemachte Bemänglungen müssen ohne weitere Vergütung sogleich gut gemacht werden. Glasgraveure haben namentlich die Aichung der Gläser mit der größten Genauigkeit vorzunehmen, durch unrichtige Aichung entstandenen Schaden haben dieselben vollständig zu ersetzen. Allfällig unterkommender Ausschuß darf eigenmächtig weder geaicht, noch irgend sonst wie geschnitten oder geschliffen werden, sondern ist zur weiteren Verfügung des Vorgesetzten bei Seite zu stellen.
Der Schleiferbruch ist bei Ablieferung der Arbeit abzugeben, jeder aus Nachlässigkeit oder Unachtsamkeit verursachte Bruch muß von den Schleifern bezahlt werden. Die abgesprengten Glaskappen haben die Schleifer nach Sorten getrennt in besondere Scherbenbehälter zu bringen.
Die Arbeitszeit der Glasschleifer und Glasgraveure wird inklusive einer einstündigen Mittagspause und je einer halbstündigen Pause zur Einnahme des Vormittagsbrodes und der Jause von 6 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends festgesetzt. An Sonntagen ruht die Arbeit gänzlich.
X. Besondere Verhaltungsregeln des Modellmachers, des Hafenmachers und der Einbinderinnen.
Der Modellmacher hat die Mödel nach den Vorschreibbüchern oder auf besondere Anordnung anzufertigen, vor dem Abgehenlassen abzuliefern und nach der Arbeit wieder in Verwahrung zu nehmen; derselbe hat nöthigenfalls auch außer der gewöhnlichen Schicht in der Fabrik zu erscheinen, um dringende Mödel zu fertigen oder Reparaturen an solchen vorzunehmen.
Der Hafenmacher fertigt die Hafen, Ziegel und das sonstige Ofenmaterial, für deren Güte er zu haften hat, nach Anordnung des Vorgesetzten. Derselbe sorgt dafür, daß die Hafenstube geschlossen gehalten wird und in derselben jederzeit die entsprechende Temperatur herrscht. Er darf nur solchen Personen den Eintritt in die Hafenstube gewähren, die dort beschäftigt werden sollen.
Die Einbinderinnen dürfen das fertige Glas vor dessen vollständiger Abkühlung nicht aus den Töpfen nehmen und haben es erst nach erfolgter Durchsicht einzubinden. Dieselben haben das ihnen zugewiesene Glas stets von einer Arbeit zur andern fertig einzubinden; allfällig ihnen noch unterkommenden Ausschuß ungebunden zur Seite zu stellen, in dringenden oder Verhinderungsfällen einander in der Arbeit beizustehen oder auszuhelfen.
Die Arbeitszeit des Modellmachers, Hafenmachers und der Einbinderinnen, sowie des Packers wird, inklusive einer einstündigen Mittagspause und je einer halbstündigen Pause zur Einnahme des Vormittagsbrodes und der Jause, von 6 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends festgesetzt. An Sonntagen ruht die Arbeit gänzlich.
XI. Zahlungstag.
Die sämmtlichen Arbeiter erhalten alle 14 Tage ( jeden zweiten Samstag ) a conto ihres Verdienstes das sogenannte Kostgeld; eine vollständige Abrechnung, beziehungsweise Auszahlung findet immer erst nach Schluß einer Hitze, beziehungsweise im Laufe des allfällig darauf folgenden kalten Ofens statt.
Die Höhe des Kostgeldes bestimmt sich nach dem Verdienste des betreffenden Arbeiters und den Abzügen an:
a) Krankenkasse=Beiträgen,
b) Strafgeldern,
c) Wohnungszinsen,
d) Baarvorschüssen,
e) für Brennmaterialien,
und erfolgt stets in baarem Gelde. Abgesehen hievon, soll das auszuzahlende Kostgeld höchstens vier Fünftel des wirklichen Verdienstes des Arbeiters betragen.
XII. Behandlung der Erkrankten und Verunglückten.
Zur Unterstützung der erkrankten und verunglückten Hilfsarbeiter besteht eine eigene Fabrikskrankenkasse, zu welcher jedes Mitglied zwei, beziehungsweise drei Kreuzer von jedem Lohngulden, der Fabriksinhaber aber einen, beziehungsweise einen und einen halben Kreuzer von jedem Lohngulden, das ist die Hälfte der Gesammtbeiträge der Hilfsarbeiter regelmäßig einzahlt.
Die Krankenkasse gewährt unentgeldliche ärztliche Hilfe, freien Medikamentenbezug und Krankengeld. Nähere Bestimmungen enthalten die behördlich genehmigten Statuten dieser Krankenkasse.
XIII. Kündigung.
Die beiderseitige Kündigungsfrist ist sowohl für den Arbeitgeber, wie für alle Fabriksarbeiter ohne Ausnahme, in so ferne mit denselben keine andere Kündezeit mittelst Aufnahmschein bedungen worden, auf drei Monate festgesetzt.
Bei erfolgter Kündigung erhält der betreffende Arbeiter über sein Ansuchen einen Kündschein von der Fabriksverwaltung eingehändigt. Etwa noch rückständige Lohnvorschüsse hat der die Arbeit kündende Arbeiter unter Einem an den Fabriksbesitzer oder dessen Stellvertreter zurückzuzahlen, widrigenfalls eine solche Kündigung von Seite des betreffenden Arbeiters als nicht erfolgt zu betrachten und derselbe ohne Anspruch auf Ausfolgung eines Kündescheins bleibt.
XIV. Vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
Vor Ablauf der ausdrücklich oder stillschweigend bedungenen Dauer des Arbeitsverhältnisses kann ein Hilfsarbeiter ohne Kündigung in folgenden Fällen sofort entlassen werden, wenn er:
a) bei Aufnahme in die Fabrik durch Vorzeigen falscher oder gefälschter Arbeitsbücher oder Zeugnisse den Fabriksbesitzer hintergangen hat;
b) zu der mit ihm vereinbarten Arbeit unfähig befunden wird;
c) der Trunksucht verfällt und wiederholt fruchtlos verwarnt wurde;
d) sich eines Diebstahles, einer Veruntreuung oder einer sonstigen strafbaren Handlung schuldig macht, welche ihn des Vertrauens unwürdig macht, oder erscheinen läßt;
e) ein Geschäfts= oder Betriebsgeheimniß verräth, oder ein seiner Verwendung abträgliches Nebengeschäft ohne Einwilligung des Fabriksbesitzers betreibt;
f) die Arbeit unbefugt verlassen hat, oder beharrlich seine Pflichten vernachlässiget, oder die übrigen Hilfsarbeiter zum Ungehorsam, zur Auflehnung gegen den Fabriksbesitzer, zu unsittlichen oder gesetzwidrigen Handlungen zu verleiten sucht;
g) sich einer groben Ehrenbeleidigung, Körperverletzung, oder gefährlichen Drohung gegen den Fabriksbesitzer, dessen Stellvertreter oder gegen seine Mitarbeiter schuldig macht;
h) durch länger als 14 Tage gefänglich angehalten wird.
Vor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit und ohne Kündigung kann ein Hilfsarbeiter die Arbeit verlassen :
a) wenn er ohne Schaden für seine Gesundheit die Arbeit nicht fortsetzen kann;
b) wenn der Fabriksbesitzer oder dessen Stellvertreter sich einer täthlichen Mißhandlung oder einer groben Ehrenbeleidigung gegen ihn oder dessen Angehörige schuldig macht;
c) wenn der Fabriksbesitzer oder dessen Angehörige den Hilfsarbeiter oder dessen Angehörige zu unsittlichen oder gesetzwidrigen Handlungen zu verleiten suchen ;
d) wenn der Fabriksbesitzer ihm den bedungenen Lohn ungebührlich vorenthält oder andere wesentliche Vertragsbestimmungen verletzt;
e) wenn der Fabriksbesitzer außer Stand ist oder sich weigert, dem Hilfsarbeiter Verdienst zu geben.
Durch Aufhören des Gewerbebetriebes oder durch den Tod des Hilfsarbeiters erlischt das Arbeitsverhältniß von selbst. Im Falle der vorzeitigen Entlassung eines Hilfsarbeiters in Folge freiwilligen Aufgebens des Gewerbes oder in Folge eines den Arbeitgeber treffenden Zufalles, wird der Hilfsarbeiter für den Entgang der Kündigungsfrist schadlos gehalten. Der vorzeitige, nicht ordnungsmäßige Austritt wird als Uebertretung der Gewerbeordnung nach den gesetzlichen Bestimmungen der letzteren betraft. Der Gewerbeinhaber ist berechtigt, den Hilfsarbeiter in diesem Falle durch die Behörde zur Rückkehr in die Arbeit für die noch fehlende Zeit zu verhalten und Ersatz für den durch vorzeitigen Austritt erlittenen Schaden zu begehren.
XV. Strafbestimmungen.
Wer den Bestimmungen dieser Fabriksordnung zuwiderhandelt, beziehungsweise den sonstigen Anordnungen seiner Vorgesetzten keine Folge leistet, kann nach Ermessen der Fabriksverwaltung mit Ordnungsstrafen bis zur Höhe eines Tagesverdienstes gebüßt werden und bleibt außerdem im Falle eines verursachten Schadens nach Ermessen der Fabriksverwaltung hiefür ersatzpflichtig.
Derlei Straf= beziehungsweise Gutmachungsbeträge können sogleich vom nächsten Kostgeld in Abzug gebracht werden und kommen, so weit sie nicht als Ersatz für der Fabrik zugefügten Schaden dienen, der Krankenkasse zu gute.
Sämmtliche Conventionalstrafen, sowie deren Verwendung, werden seitens der Fabriksleitung in ein Verzeichniß eingetragen, dessen Einsichtnahme der Behörde, sowie den Hilfsarbeitern jederzeit offen steht.
XVI. Schlußbestimmungen.
Diese Arbeitsordnung bildet für sich, beziehungsweise mit dem Aufnahmschein, den Arbeitsvertrag zwischen Fabriksinhaber und Hilfsarbeiter, und tritt 14 Tage nach behördlicher Genehmigung und Affigirung in den Arbeitsräumen in Kraft.
Th. Stimpfl m.p.
Quelle
- Konsulent OSR Herbert Saminger, Sammlung zum Museum „Freudenthaler Glas“, Weißenkirchen i.A.