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Robert Eitzinger: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:Eitzinger Besuch 15072017.JPG|thumb| Johanna Wiesinger, Manfred Hemetsberger, Bertl & Gisela Eitzinger beim Besuch in Nußdorf am 15. Juli 2017]]
[[Datei:Eitzinger Besuch 15072017.JPG|thumb| Johanna Wiesinger, Manfred Hemetsberger, Bertl & Gisela Eitzinger beim Besuch in Nußdorf am 15. Juli 2017]]


'''Die ungewöhnliche Lebensgeschichte des gebürtigen Nußdorfers, Robert Eitzinger (* 20. Januar 1934 in [[Nußdorf am Attersee]]; † 20. August 2025 Marco Island, Florida) der in der Fremde sein Glück suchte und fand. '''
Die ungewöhnliche Lebensgeschichte des gebürtigen Nußdorfers, '''Robert Eitzinger''' (* 20. Januar 1934 in [[Nußdorf am Attersee]]; † 20. August 2025 Marco Island, Florida) der in der Fremde sein Glück suchte und fand.


==Leben und Wirken==
==Leben und Wirken==
 
=== Der schwierige Start ===
Am 20. Jänner 1934 wurde auf dem Niedermayrhof in Nußdorf am Attersee von der ledigen Bauerstochter Maria Hemetsberger, der Schwester des Hofbesitzers, ein Bub geboren und auf den Namen Robert getauft. Eine uneheliche Geburt war damals kein guter Start ins Leben und die allgemeinen Lebensbedingungen waren entbehrungsreich und schwierig. Der kleine „Niedermoar Bertl“ durchlebte seine Kindheit vor und im Zweiten Weltkrieg gemeinsam mit der bäuerlichen Familie und den Dienstboten am Niedermayrhof. Bertls Mutter heiratete nach dem Krieg Josef Eitzinger und Robert wurde adoptiert. Gemeinsam baute die Familie am Fuß des Buchbergs in Attersee ein neues Haus und Robert bekam einen Bruder, der Josef getauft wurde.  
Am 20. Jänner 1934 wurde auf dem Niedermayrhof in Nußdorf am Attersee von der ledigen Bauerstochter Maria Hemetsberger, der Schwester des Hofbesitzers, ein Bub geboren und auf den Namen Robert getauft. Eine uneheliche Geburt war damals kein guter Start ins Leben und die allgemeinen Lebensbedingungen waren entbehrungsreich und schwierig. Der kleine „Niedermoar Bertl“ durchlebte seine Kindheit vor und im Zweiten Weltkrieg gemeinsam mit der bäuerlichen Familie und den Dienstboten am Niedermayrhof. Bertls Mutter heiratete nach dem Krieg Josef Eitzinger und Robert wurde adoptiert. Gemeinsam baute die Familie am Fuß des Buchbergs in Attersee ein neues Haus und Robert bekam einen Bruder, der Josef getauft wurde.  
 
=== Die Jugendjahre ===
Nach der Schule begann Robert eine Lehre bei der Schlosserei Rinner in Attersee und erlernte den Beruf des Drehers und Werkzeugmachers. Dabei zeigte sich schon seine technische Begabung. Er konnte aus dem Wenigen, das damals zur Verfügung stand, etwas Nützliches machen und so wurde er oft um Problemlösungen für allerlei Gerätschaften gebeten. Zu seiner Firmung war aus dem Kreis der Verwandtschaft Josef Bruckbacher, der Moar in Dexelbach, gerne bereit als Firmpate einzuspringen. Seine Jugendjahre waren von der Zeit der amerikanischen Besatzung geprägt. Die österreichische Bevölkerung bekam in der Nachkriegszeit viel Unterstützung und Hilfe aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Der amerikanische Marshallplan war die Basis für das sprichwörtliche Österreichische Wirtschaftswunder, das Aufstieg und Wohlstand brachte. Auch auf dem Niedermayrhof waren amerikanische Soldaten einquartiert und der Kommandant wohnte im benachbarten Forsthaus. Das Verhältnis war vorwiegend wohlwollend und entgegenkommend. Wenn Soldaten erkrankten, bekamen sie am Hof auch eine entsprechende Fürsorge bis sie sich wieder erholt haben. Dafür erhielten die Kinder Süßigkeiten und begehrte Kaugummis. Während der Besatzungszeit wurde in der Bauernstube des Niedermayrhofes der erste Nußdorfer Kindergarten eingerichtet. Die vielen positiven Erfahrungen mit den Amerikanern haben vermutlich auch den jungen Niedermoar Bertl von einer besseren Welt in Amerika träumen lassen.  
Nach der Schule begann Robert eine Lehre bei der Schlosserei Rinner in Attersee und erlernte den Beruf des Drehers und Werkzeugmachers. Dabei zeigte sich schon seine technische Begabung. Er konnte aus dem Wenigen, das damals zur Verfügung stand, etwas Nützliches machen und so wurde er oft um Problemlösungen für allerlei Gerätschaften gebeten. Zu seiner Firmung war aus dem Kreis der Verwandtschaft Josef Bruckbacher, der Moar in Dexelbach, gerne bereit als Firmpate einzuspringen. Seine Jugendjahre waren von der Zeit der amerikanischen Besatzung geprägt. Die österreichische Bevölkerung bekam in der Nachkriegszeit viel Unterstützung und Hilfe aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Der amerikanische Marshallplan war die Basis für das sprichwörtliche Österreichische Wirtschaftswunder, das Aufstieg und Wohlstand brachte. Auch auf dem Niedermayrhof waren amerikanische Soldaten einquartiert und der Kommandant wohnte im benachbarten Forsthaus. Das Verhältnis war vorwiegend wohlwollend und entgegenkommend. Wenn Soldaten erkrankten, bekamen sie am Hof auch eine entsprechende Fürsorge bis sie sich wieder erholt haben. Dafür erhielten die Kinder Süßigkeiten und begehrte Kaugummis. Während der Besatzungszeit wurde in der Bauernstube des Niedermayrhofes der erste Nußdorfer Kindergarten eingerichtet. Die vielen positiven Erfahrungen mit den Amerikanern haben vermutlich auch den jungen Niedermoar Bertl von einer besseren Welt in Amerika träumen lassen.  
 
=== Der amerikanische Traum ===
Die Auswanderung aus Österreich nahm damals beachtliche Dimensionen an. Viele suchten den amerikanischen Traum, „vom Tellerwäscher zum Millionär“ zu verwirklichen. Wie zahlreiche andere, die ein besseres Leben suchten, stellte auch Bertl einen Visumsantrag in die Vereinigten Staaten. Für die Behördenverfahren musste man damals mit 10–12 Jahren rechnen. Diese Zeit nützte Bertl um sich zu orientieren und sich die Welt anzuschauen. Im Alter von 22 Jahren machte er sich 1956 mit Rucksack und einem kleinen Zelt auf den Weg. Zu Fuß, per Anhalter und auf Frachtschiffen zog er durch Italien, Griechenland, die Türkei, Syrien, den Libanon und dann wieder nordwärts bis nach Finnland. Wie er später einmal erzählte, wurde er in Süditalien sehr krank und fürchtete, wieder umkehren zu müssen. Doch er erholte sich schnell und schlug sich danach trotz aller Gefahren und Hindernisse während des "Kalten Krieges" bis nach Moskau durch. Zeitweise arbeitete er in verschiedenen Betrieben in Schweden, Dänemark und Deutschland. Bis Ende 1959 arbeitete Bertl mit einem kanadischen Visum in Windsor in Kanada. Hier konnte er sich sein erstes Auto kaufen. Kurz danach verunglückte sein Stiefvater mit dem Motorrad bei einer Kollision mit der Attergaubahn tödlich. Kurzerhand verkaufte Bertl sein Auto wieder und schickte das Geld seiner Mutter damit sie mit diesem tragischen Schicksal besser zurechtkam.  
Die Auswanderung aus Österreich nahm damals beachtliche Dimensionen an. Viele suchten den amerikanischen Traum, „vom Tellerwäscher zum Millionär“ zu verwirklichen. Wie zahlreiche andere, die ein besseres Leben suchten, stellte auch Bertl einen Visumsantrag in die Vereinigten Staaten. Für die Behördenverfahren musste man damals mit 10–12 Jahren rechnen. Diese Zeit nützte Bertl um sich zu orientieren und sich die Welt anzuschauen. Im Alter von 22 Jahren machte er sich 1956 mit Rucksack und einem kleinen Zelt auf den Weg. Zu Fuß, per Anhalter und auf Frachtschiffen zog er durch Italien, Griechenland, die Türkei, Syrien, den Libanon und dann wieder nordwärts bis nach Finnland. Wie er später einmal erzählte, wurde er in Süditalien sehr krank und fürchtete, wieder umkehren zu müssen. Doch er erholte sich schnell und schlug sich danach trotz aller Gefahren und Hindernisse während des "Kalten Krieges" bis nach Moskau durch. Zeitweise arbeitete er in verschiedenen Betrieben in Schweden, Dänemark und Deutschland. Bis Ende 1959 arbeitete Bertl mit einem kanadischen Visum in Windsor in Kanada. Hier konnte er sich sein erstes Auto kaufen. Kurz danach verunglückte sein Stiefvater mit dem Motorrad bei einer Kollision mit der Attergaubahn tödlich. Kurzerhand verkaufte Bertl sein Auto wieder und schickte das Geld seiner Mutter damit sie mit diesem tragischen Schicksal besser zurechtkam.  


Danach beschloss er, sich durch Lateinamerika zu arbeiten. Er nahm Beschäftigungen in Mexiko, Venezuela, Honduras, Nicaragua, El Salvador und schließlich in Costa Rica an, wo er in San Jose drei Jahre lang eine Maschinenwerkstätte leitete. Während dieser Zeit wurden ihm auch verschiedene Fremdsprachen geläufig. Mit einem dauerhaften Stellenangebot in Stamford, Connecticut und mit Unterstützung einer Bekannten aus Österreich, deren Ehemann in der US-Armee diente, bekam Bertl 1963 sein US-Visum und seine Green Card. Damit hatte er die Berechtigung in den USA dauerhaft leben und arbeiten zu dürfen.  
Danach beschloss er, sich durch Lateinamerika zu arbeiten. Er nahm Beschäftigungen in Mexiko, Venezuela, Honduras, Nicaragua, El Salvador und schließlich in Costa Rica an, wo er in San Jose drei Jahre lang eine Maschinenwerkstätte leitete. Während dieser Zeit wurden ihm auch verschiedene Fremdsprachen geläufig. Mit einem dauerhaften Stellenangebot in Stamford, Connecticut und mit Unterstützung einer Bekannten aus Österreich, deren Ehemann in der US-Armee diente, bekam Bertl 1963 sein US-Visum und seine Green Card. Damit hatte er die Berechtigung in den USA dauerhaft leben und arbeiten zu dürfen.  
 
=== Das eigene Unternehmen ===
Im selben Jahr noch fuhr Bertl nach Chicago wo er sich mit seinen Freunden Charly und Sepp traf, die er einige Jahre zuvor bei der Arbeit auf einer Werft im schwedischen Malmö kennengelernt hatte. Noch während er in einem Unternehmen für Formenbau arbeitete, gründeten er und sein Freund Charly gemeinsam eine Firma, die EM MOLD CO. Ein Jahr später stieg Robert aus dieser Firma aus und gründete seine eigene, die MID-WEST-AUTOMATION INC. In seinem neuen Unternehmen nahe Chicago entwickelte und produzierte er Maschinen und Anlagen, die zahlreiche Einzelteile vollautomatisch zu komplexen Produkten zusammenbauen konnten. Robert Eitzinger gehörte zu den Pionieren der modernen Automatisierungstechnik. In den folgenden 33 Jahren baute er seine Firma gemeinsam mit seiner Frau Gisela, deren Familie aus Deutschland in die USA eingewandert war, zu einem bedeutenden Unternehmen aus, das international tätige Konzerne in den USA belieferte. Wie es zur gesellschaftlichen Anerkennung unter wohlhabenden Amerikanern gehört, engagierte sich Bertl auch in Wohltätigkeitsorganisationen und sozialen Einrichtungen. Bertls unbändige Lebensenergie beschrieb seine Mutter einmal so: „Ich freue mich, wenn der Bertl heimkommt, aber wenn er wieder wegfährt bin ich auch erleichtert. Er feiert mit seinen Freunden bis in die späte Nacht hinein, ist aber in aller Herrgottsfrüh schon wieder auf den Beinen und braucht etwas zu tun. Das kann auch anstrengend sein.“ Den Kontakt zu seiner alten Heimat am Attersee und zu seinen Jugendfreunden hielt Bertl so gut es ging aufrecht. Manchmal waren auch Sterbefälle in der Familie Anlass für seine Besuche. Auch sein jüngerer Bruder Josef starb lange vor ihm. Der bodenständige Dialekt war ihm zeitlebens so geläufig als wäre er nie weg gewesen. Auch Gisela zeigte mit ihrem liebenswerten, leicht schwäbischen Akzent, wie es beiden gelungen ist, die alte und die neue Heimat mitsammen zu verbinden.  
Im selben Jahr noch fuhr Bertl nach Chicago wo er sich mit seinen Freunden Charly und Sepp traf, die er einige Jahre zuvor bei der Arbeit auf einer Werft im schwedischen Malmö kennengelernt hatte. Noch während er in einem Unternehmen für Formenbau arbeitete, gründeten er und sein Freund Charly gemeinsam eine Firma, die EM MOLD CO. Ein Jahr später stieg Robert aus dieser Firma aus und gründete seine eigene, die MID-WEST-AUTOMATION INC. In seinem neuen Unternehmen nahe Chicago entwickelte und produzierte er Maschinen und Anlagen, die zahlreiche Einzelteile vollautomatisch zu komplexen Produkten zusammenbauen konnten. Robert Eitzinger gehörte zu den Pionieren der modernen Automatisierungstechnik. In den folgenden 33 Jahren baute er seine Firma gemeinsam mit seiner Frau Gisela, deren Familie aus Deutschland in die USA eingewandert war, zu einem bedeutenden Unternehmen aus, das international tätige Konzerne in den USA belieferte. Wie es zur gesellschaftlichen Anerkennung unter wohlhabenden Amerikanern gehört, engagierte sich Bertl auch in Wohltätigkeitsorganisationen und sozialen Einrichtungen. Bertls unbändige Lebensenergie beschrieb seine Mutter einmal so: „Ich freue mich, wenn der Bertl heimkommt, aber wenn er wieder wegfährt bin ich auch erleichtert. Er feiert mit seinen Freunden bis in die späte Nacht hinein, ist aber in aller Herrgottsfrüh schon wieder auf den Beinen und braucht etwas zu tun. Das kann auch anstrengend sein.“ Den Kontakt zu seiner alten Heimat am Attersee und zu seinen Jugendfreunden hielt Bertl so gut es ging aufrecht. Manchmal waren auch Sterbefälle in der Familie Anlass für seine Besuche. Auch sein jüngerer Bruder Josef starb lange vor ihm. Der bodenständige Dialekt war ihm zeitlebens so geläufig als wäre er nie weg gewesen. Auch Gisela zeigte mit ihrem liebenswerten, leicht schwäbischen Akzent, wie es beiden gelungen ist, die alte und die neue Heimat mitsammen zu verbinden.  



Aktuelle Version vom 20. Oktober 2025, 19:39 Uhr

Robert Eitzinger
Maria Eitzinger Roberts Mutter
Der kleine „Niedermoar Bertl“ bei der Erstkommunion
Johanna Wiesinger, Manfred Hemetsberger, Bertl & Gisela Eitzinger beim Besuch in Nußdorf am 15. Juli 2017

Die ungewöhnliche Lebensgeschichte des gebürtigen Nußdorfers, Robert Eitzinger (* 20. Januar 1934 in Nußdorf am Attersee; † 20. August 2025 Marco Island, Florida) der in der Fremde sein Glück suchte und fand.

Leben und Wirken

Der schwierige Start

Am 20. Jänner 1934 wurde auf dem Niedermayrhof in Nußdorf am Attersee von der ledigen Bauerstochter Maria Hemetsberger, der Schwester des Hofbesitzers, ein Bub geboren und auf den Namen Robert getauft. Eine uneheliche Geburt war damals kein guter Start ins Leben und die allgemeinen Lebensbedingungen waren entbehrungsreich und schwierig. Der kleine „Niedermoar Bertl“ durchlebte seine Kindheit vor und im Zweiten Weltkrieg gemeinsam mit der bäuerlichen Familie und den Dienstboten am Niedermayrhof. Bertls Mutter heiratete nach dem Krieg Josef Eitzinger und Robert wurde adoptiert. Gemeinsam baute die Familie am Fuß des Buchbergs in Attersee ein neues Haus und Robert bekam einen Bruder, der Josef getauft wurde.

Die Jugendjahre

Nach der Schule begann Robert eine Lehre bei der Schlosserei Rinner in Attersee und erlernte den Beruf des Drehers und Werkzeugmachers. Dabei zeigte sich schon seine technische Begabung. Er konnte aus dem Wenigen, das damals zur Verfügung stand, etwas Nützliches machen und so wurde er oft um Problemlösungen für allerlei Gerätschaften gebeten. Zu seiner Firmung war aus dem Kreis der Verwandtschaft Josef Bruckbacher, der Moar in Dexelbach, gerne bereit als Firmpate einzuspringen. Seine Jugendjahre waren von der Zeit der amerikanischen Besatzung geprägt. Die österreichische Bevölkerung bekam in der Nachkriegszeit viel Unterstützung und Hilfe aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Der amerikanische Marshallplan war die Basis für das sprichwörtliche Österreichische Wirtschaftswunder, das Aufstieg und Wohlstand brachte. Auch auf dem Niedermayrhof waren amerikanische Soldaten einquartiert und der Kommandant wohnte im benachbarten Forsthaus. Das Verhältnis war vorwiegend wohlwollend und entgegenkommend. Wenn Soldaten erkrankten, bekamen sie am Hof auch eine entsprechende Fürsorge bis sie sich wieder erholt haben. Dafür erhielten die Kinder Süßigkeiten und begehrte Kaugummis. Während der Besatzungszeit wurde in der Bauernstube des Niedermayrhofes der erste Nußdorfer Kindergarten eingerichtet. Die vielen positiven Erfahrungen mit den Amerikanern haben vermutlich auch den jungen Niedermoar Bertl von einer besseren Welt in Amerika träumen lassen.

Der amerikanische Traum

Die Auswanderung aus Österreich nahm damals beachtliche Dimensionen an. Viele suchten den amerikanischen Traum, „vom Tellerwäscher zum Millionär“ zu verwirklichen. Wie zahlreiche andere, die ein besseres Leben suchten, stellte auch Bertl einen Visumsantrag in die Vereinigten Staaten. Für die Behördenverfahren musste man damals mit 10–12 Jahren rechnen. Diese Zeit nützte Bertl um sich zu orientieren und sich die Welt anzuschauen. Im Alter von 22 Jahren machte er sich 1956 mit Rucksack und einem kleinen Zelt auf den Weg. Zu Fuß, per Anhalter und auf Frachtschiffen zog er durch Italien, Griechenland, die Türkei, Syrien, den Libanon und dann wieder nordwärts bis nach Finnland. Wie er später einmal erzählte, wurde er in Süditalien sehr krank und fürchtete, wieder umkehren zu müssen. Doch er erholte sich schnell und schlug sich danach trotz aller Gefahren und Hindernisse während des "Kalten Krieges" bis nach Moskau durch. Zeitweise arbeitete er in verschiedenen Betrieben in Schweden, Dänemark und Deutschland. Bis Ende 1959 arbeitete Bertl mit einem kanadischen Visum in Windsor in Kanada. Hier konnte er sich sein erstes Auto kaufen. Kurz danach verunglückte sein Stiefvater mit dem Motorrad bei einer Kollision mit der Attergaubahn tödlich. Kurzerhand verkaufte Bertl sein Auto wieder und schickte das Geld seiner Mutter damit sie mit diesem tragischen Schicksal besser zurechtkam.

Danach beschloss er, sich durch Lateinamerika zu arbeiten. Er nahm Beschäftigungen in Mexiko, Venezuela, Honduras, Nicaragua, El Salvador und schließlich in Costa Rica an, wo er in San Jose drei Jahre lang eine Maschinenwerkstätte leitete. Während dieser Zeit wurden ihm auch verschiedene Fremdsprachen geläufig. Mit einem dauerhaften Stellenangebot in Stamford, Connecticut und mit Unterstützung einer Bekannten aus Österreich, deren Ehemann in der US-Armee diente, bekam Bertl 1963 sein US-Visum und seine Green Card. Damit hatte er die Berechtigung in den USA dauerhaft leben und arbeiten zu dürfen.

Das eigene Unternehmen

Im selben Jahr noch fuhr Bertl nach Chicago wo er sich mit seinen Freunden Charly und Sepp traf, die er einige Jahre zuvor bei der Arbeit auf einer Werft im schwedischen Malmö kennengelernt hatte. Noch während er in einem Unternehmen für Formenbau arbeitete, gründeten er und sein Freund Charly gemeinsam eine Firma, die EM MOLD CO. Ein Jahr später stieg Robert aus dieser Firma aus und gründete seine eigene, die MID-WEST-AUTOMATION INC. In seinem neuen Unternehmen nahe Chicago entwickelte und produzierte er Maschinen und Anlagen, die zahlreiche Einzelteile vollautomatisch zu komplexen Produkten zusammenbauen konnten. Robert Eitzinger gehörte zu den Pionieren der modernen Automatisierungstechnik. In den folgenden 33 Jahren baute er seine Firma gemeinsam mit seiner Frau Gisela, deren Familie aus Deutschland in die USA eingewandert war, zu einem bedeutenden Unternehmen aus, das international tätige Konzerne in den USA belieferte. Wie es zur gesellschaftlichen Anerkennung unter wohlhabenden Amerikanern gehört, engagierte sich Bertl auch in Wohltätigkeitsorganisationen und sozialen Einrichtungen. Bertls unbändige Lebensenergie beschrieb seine Mutter einmal so: „Ich freue mich, wenn der Bertl heimkommt, aber wenn er wieder wegfährt bin ich auch erleichtert. Er feiert mit seinen Freunden bis in die späte Nacht hinein, ist aber in aller Herrgottsfrüh schon wieder auf den Beinen und braucht etwas zu tun. Das kann auch anstrengend sein.“ Den Kontakt zu seiner alten Heimat am Attersee und zu seinen Jugendfreunden hielt Bertl so gut es ging aufrecht. Manchmal waren auch Sterbefälle in der Familie Anlass für seine Besuche. Auch sein jüngerer Bruder Josef starb lange vor ihm. Der bodenständige Dialekt war ihm zeitlebens so geläufig als wäre er nie weg gewesen. Auch Gisela zeigte mit ihrem liebenswerten, leicht schwäbischen Akzent, wie es beiden gelungen ist, die alte und die neue Heimat mitsammen zu verbinden.

Von 1968 bis 2015 lebte die Familie in Lincolnshire bei Chicago, wo im Jahr 1973 die Tochter Annette Stefanie zur Welt kam. Ein zweites Zuhause schuf sich die Familie in Boulder, Colorado, wo die Tochter mit ihrer Familie nach wie vor wohnt. Während ihrer 57-jährigen Ehe reisten Bertl und Gisela gerne und ausgiebig in aller Welt herum, oft gemeinsam mit ihrer Tochter und deren Familie. Als Bertl 2015 seinen Ruhestand antrat verkaufte er sein umfangreiches Lebenswerk. Die Freude daran, fremde Länder und Leute kennenzulernen, hielt auch nach dem Arbeitsleben an. Schließlich ließen sich beide in ihrem Altersdomizil, "Vera Cruz“ auf Marco Island in Florida nieder. Hier trat Bertl am 20. August 2025 seine letzte Reise an und nahm friedlich Abschied von der Welt. Seinem Wunsch und seiner weltoffenen Gesinnung entsprechend, wird seine Asche am Strand des Golfs von Mexiko den Wellen des Meeres übergeben.

Aus seinem Nachruf: „Seine Frau Gisela, Tochter Annette Stefanie, Enkelinnen Monika Stefanie und Anne Marie, Enkel Robert Josef und Schwiegersohn Kelly Richard Wilhelm sowie viele seiner langjährigen Freunde werden ihn sehr vermissen und die vielen Erinnerungen an seinen liebevollen und unternehmerischen Geist, seine Leistungen und seine Großzügigkeit für immer in ihren Herzen behalten. A LIFE WELL LIVED – ein gelungenes Leben.“

Der „Niedermoar Bertl“ vom Attersee hat seine neue amerikanische Heimat als ungebetener Ausländer vorgefunden und als erfolgreicher Unternehmer, großzügiger Förderer gesellschaftlicher Anliegen, geschätzter Freund und verlässlicher Partner zurückgelassen.

Quelle

  • Manfred Hemetsberger