Radetzkys Lebensretter: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 20. Oktober 2022, 10:04 Uhr
Bartl, Radetzkys Lebensretter war ein einfacher Soldat im 19. Jahrhundert aus Nußdorf am Attersee.
Lebenserinnerung
Eine Lebenserinnerung an Bartl von Ferdinand Streicher, Provisor in Nußdorf von 1844 bis 1848, später Oberlehrer in Mondsee:
Unter all den verschiedenen Persönlichkeiten, die mir im Leben begegnet sind, ist es eine in meinem Gedächtnisse treu bewahrte, obwohl bei 70 Jahre darüber vergangen sind, ein alter Krieger, der in seinen jungen Jahren Soldat wurde. Er war über Mittelgröße, eine starke, breit gebaute Gestalt, und gab mit 70 Jahren noch zu erkennen, dass er einen prächtigen Kürassier abgegeben haben musste. Ich kannte ihn nur unter dem Namen „Bartl“ (Batholomäus), wie er allgemein in Nußdorf genannt wurde, wo er seine alten Tage verlebte. Er war beliebt bei jung und alt, selbst die Kinder sahen zu ihm mit freudigen Augen auf. Er wurde geachtet seines freundlichen Wesens wegen. Mir wurde er besonders sympathisch und er war mir auch freundlich gewogen, weil er wusste, dass mich seine lebensnahen Schilderungen aus seinen Kriegerjahren interessieren. Wenn er dann und wann ein Gläschen Schnaps im Gasthause trank, so war er immer ersucht, aus seinem Leben zu erzählen.
Bartl war schon im Jahre 1800 Soldat und machte alle österreichischen Kriege gegen die Franzosen mit. Er blieb immer gesund, wurde nie verwundet, obwohl ihm in der Schlacht bei Leipzig, wo Radetzky durch französische Reiter arg bedrängt wurde, zu Hilfe kommen konnte, ihn gleichsam heraus haute, mithin sein Lebensretter wurde. Dieser Tat wegen wurde später die Schwadron, in welcher er sich befand, zu einer Ehrenbezeugung kommandiert. Radetzky selbst kommandierte die Schwadron und ließ sie in Parade aufreiten. Der Ordonanzsoldat Bartl wurde aus der Schwadron heraus kommandiert, Radetzky machte an selben eine Dankesansprache, worauf dann die Schwadron eine Ehrenbezeugung vorführte.
Das war der Glanzpunkt in seinem Leben, erzählte Bartl, und setzte hinzu, Radetzky sagte zu ihm: Ja, mein lieber Alter (so wurde er gewöhnlich von Radetzky angesprochen), wenn du nur lesen und schreiben könntest, so könnte ich dich vorwärts bringen. Bartl sagte mir: Wie hätte ich dies lernen können, in meinem Geburtsorte gab es keine Schule, und beim Militär, heute da und morgen wo anders, gab es keine Zeit dazu. Bartl machte auch den Einzug in Paris mit und erhielt seinen Abschied, nachdem er bei 20 Jahre gedient hatte. Sein Veteranenbezug war, wie er sagte, in Coventions-Münze (?), täglich 4x (?) vom Kaiser und 4x (?) von Radetzky als Lebensretter.
Dieser so genügsame Mann war glücklich in seinen Erinnerungen, und zufrieden mit dem was er bekam, er war stolz auf seine Bezüge. Er musste lebenslang ein Arbeitsmann bleiben; eine günstige Fügung war die billige Lebenszeit. Bartl liegt in Nußdorf am Attersee begraben. Um die Zeit seines Sterbens in den 1850er Jahren war in St. Georgen im Attergau und Umgebung Militär einquartiert, wie es damals üblich war. Eine Abteilung davon wurde zu seinem Begräbnis kommandiert, er erhielt mithin militärisches Conduct und Salut zu seiner Herzensfreude, wie es diesem Manne gewiss gewesen wäre und was er reichlich verdient hat.
Nachsatz
Ich glaube, dass die geschilderte Persönlichkeit in der getreuen Erinnerung noch mancher Nußdorfer fortlebt. Um selbe wieder ins Leben zu rufen, gebe ich diese Zeilen mit Freude den liebwerten Nußdorfern. Es muss sie erfreuen, dass ein Nußdorfer in der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 mitgekämpft hat und der Lebensretter des großen Feldherrn Radetzky werden konnte. Sie werden gewiss des Grabes dieses Mannes im Oktober dieses Jahres nicht vergessen. Mithin hat auch Nußdorf eine Jahrhundertfeier.
Ferdinand Streicher, September 1913
Aus der Schulchronik Nußdorf 1913 – 1914
Am 18. Juni fand im hiesigen Schulhause eine Zweiglehrerkonferenz statt, bei welcher 24 Lehrpersonen anwesend waren. Am 14. September besuchte der 88jährige in Mondsee in Pension lebende Hr. Ferdinand Streicher, gewesener Oberlehrer von Mondsee welcher in den Jahren 1844 – 1848 an der hiesigen Schule Provisor war, seine hier noch lebenden Schüler und ließ sich mit den selben photographieren. Ein Gruppenbild wurde der hiesigen Schule einverleibt. Hr. Streicher beschrieb auch seine erste Unterrichtsstunde am 1. September 1844 in Nußdorf, welches Elaborat der Chronik beigelegt wird. Die Lehrerschaft von Abtsdorf, Weyregg, Steinbach, Unterach und Nußdorf waren zum Empfange erschienen. Hr. Streicher war der 2. geprüfte Lehrer in Nußdorf. Das Klassenzimmer im alten Schulhause war gleichzeitig sein Wohnzimmer. Hr. Streicher ist seinem Alter gemäß geistig und körperlich ganz frisch, und man würde ihn gewiss für 10 Jahre jünger halten.
Quelle
- Schulchronik Nußdorf am Attersee