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Version vom 28. Juli 2011, 21:03 Uhr
Pfahlbauten bzw. Pfahlbautensiedlungen sind an mehreren Stellen rund um den Attersee nachgewiesen.
Allgemeines
Als mit dem Ende der Eiszeit die Gletscher abschmolzen und die Salzkammergutseen in ihrer heutigen Form zurückblieben, war eine klimatisch günstige Zeit, in der die Temperaturen etwas höher waren als heute.
Die Landschaft war bald von einem dschungelartigen Wald bedeckt, in dem zahlreiche Tiere Nahrung fanden. In der menschlichen Geschichte kam es zu einem gewaltigen Entwicklungsschub. Die Jäger und Sammler, die über die Jahrtausende auf nomadische Weise das Land durchstreift hatten, wurden sesshaft. Man nennt diese Zeit die Jungsteinzeit, da als Werkzeug nur Geräte aus Stein in Verwendung waren und die Technik der Metallgewinnung noch nicht bekannt war. Aus dieser Zeit stammen die ersten Pfahlbauten. Pfahlbauten gab es aber auch in den späteren Epochen der Bronze- und Eisenzeit.
Die Pfahlbauten haben im Alpenbereich eine derartige Bedeutung, so dass sie im Juni 2011 in den Status eines Weltkulturerbes erhoben wurden.
Pfahlbauten am Attersee
Aus der Jungsteinzeit Zeit stammen die ersten Spuren menschlicher Siedlungstätigkeit am Attersee. Die jüngste wissenschaftliche Untersuchung von Pfahlbauresten (2000/2001) hat die ältesten Funde auf die Zeit um 3770 v.Chr. datiert. Das bedeutet, die Geschichte der Pfahlbauten am Attersee beginnt sehr viel früher, als ursprünglich angenommen.
Am 25. August 1870 konnte der erste Pfahlbau im Salzkammergut bei Seewalchen am Attersee, unmittelbar am Austritt der Ager, durch Gundaker Graf Wurmbrand, nachgewiesen werden. Innerhalb der nächsten zehn Jahre wurden weitere Pfahlbausiedlungen (insgesamt zehn) am Attersee, Mondsee und Traunsee nachgewiesen. Seit dieser Zeit werden die Pfahlbausiedlungen des Attersees systematisch erforscht, und eine Unzahl von Fundgegenständen vermitteln uns heute ein sehr genaues Bild davon, wie die Menschen in dieser Zeit gelebt haben. Sie hausten in Hütten, die auf Pfählen im Seeuferbereich errichtet wurden. Die romantische Vorstellung von Pfahlbauten auf dem Wasser ist wissenschaftlich überholt. Die klimatischen Untersuchungen ergeben für die Pfahlbauzeit nämlich einen niedrigeren Wasserspiegel als heute, so dass sich die Bauten damals am Seeufer befunden haben und nur bei Hochwässern zeitweilig überschwemmt worden sind.
Eine besondere Rolle bei der Entdeckung von Pfahlbaufunden spielte Theodor Wang aus Seewalchen am Attersee. Als Sandfischer stieß er beim Baggern nach Sand am Seegrund immer wieder auf Pfahlbaufunde. Da er diese Funde sowohl an das Naturhistorische Museum in Wien wie auch an den Fabrikanten Max Schmidt, der eine Sommervilla in Seewalchen besaß, gut vermarkten konnte, konzentrierte er sich auf die Suche nach solchen Funden. Vor allem der gut bezahlende Max Schmidt baute eine Pfahlbausammlung mit bis zu 4000 Stück auf, die er im Ersten Weltkrieg nach Altofen in Ungarn verbrachte, wo sie in den letzten Kriegswirren zugrunde gegangen sein soll. Nach dem Ersten Weltkrieg kaufte Max Schmidt nur mehr wenige Funde von Theodor Wang. Das Naturhistorische Museum bezahlte angeblich schlecht und so wurde ab etwa 1932 das Heimathaus Vöcklabruck ein neuer Abnehmer.
Nicht nur die Seeufer waren in der Jungsteinzeit bereits besiedelt, auch aus dem Hinterland (Aurach am Hongar; Buchberggipfel und Eggenberg, Gemeinde Berg im Attergau; Ahberg bei Thalham, Gemeinde St. Georgen im Attergau), bezeugen Funde wie Steinbeile, Keramikscheiben und Spinnwirtel das Vorhandensein menschlicher Siedlungen.
Wie sah das Alltagsleben in dieser Zeit aus? In mühevoller Rodungsarbeit mit Steinbeilen wurde dem Wald Land für den Ackerbau abgerungen. Fischfang und Jagd waren eine wichtige Nahrungsquelle. Tongefäße mit Henkel und eingeritzten Verzierungen (Leitform: der "Mondseekrug"), Textilien und Schmuck zeugen von einem vergleichsweise hohen Lebensstandard. Da es viele organische Funde gab, konnten die Lebensumstände sehr gut rekonstruiert werden. Da es keine Hinweise auf kriegerische Auseinandersetzungen gibt, spricht die Forschung von einem "Goldenen Zeitalter der Urgeschichte". Aufgrund von gut erhaltenen verzierten Keramikfunden in See am Mondsee, wird von der Mondseekultur gesprochen. Der Attersee wurde mit Einbäumen befahren. Der Einbaum wurde aus einem einzigen Baumstamm in langwieriger Arbeit ausgehöhlt und war sehr lang. Der Gebrauch von Einbäumen war bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts üblich. An der Seepromenade in Mondsee kann man eine originalen Einbaum besichtigen.
Nach neuesten Erkenntnissen soll es um etwa 3300 v. Chr. zu einem großen Felssturz vom Schafberg gekommen sein, der den Wasserspiegel des Mondsees stark ansteigen ließ, so dass die Pfahlbauten am Ufer vernichtet wurden.[1]
Pfahlbauten wurden am Attersee, z. B. in der Katastralgemeinde Abtsdorf (Gemeinde Attersee am Attersee), auch aus der Bronzezeit nachgewiesen.
Bronzezeitliche Moorsiedlung in Gerlham
Im Jahr 1904 wurden vom damaligen Leiter der Prähistorischen Abteilung im Naturhistorischen Museum Wien (Josef Szombathy, Entdecker der „Venus von Willendorf“), in Begleitung von Theodor Wang aus Seewalchen, bei einem Besuch des Torfstiches der damaligen Seehof- und Bräuhauseigentümer (Familie Oelinger) prähistorische Siedlungsreste entdeckt. Von den Arbeitern wurden ihm diverse Fundstücke übergeben (Keramiken), die aber nicht so bedeutend waren wie die bereits vorher gefundenen (Langdolch, Gürtelhaken), welche der frühen bis mittleren Bronzezeit zugeordnet wurden. Im Jahr 1966 wurde von Kurt Willvonseder (Salzburger Archäologe, Direktor des Museums Carolino Augusteum) die prähistorische Siedlung im Gerlhamer Moor näher beschrieben.
Die im Gerlhamer Moor liegende Pfahlbaustation wird vom Bundesdenkmalamt (BDA) als einzige in Österreich erhaltene Moorsiedlung (Feuchtbodensiedlung) bezeichnet. Sie stellt laut Gutachten des BDA nicht nur wegen der ausgezeichneten Erhaltungsbedingungen, sondern auch wegen ihrer Außergewöhnlichkeit ein einzigartiges Kulturdenkmal dar. Am 17. August 1978 fand in Seewalchen eine denkmalschutzrechtliche Verhandlung mit den Grundeigentümern statt, die sich gegen eine Unterschutzstellung aussprachen, und schließlich wurde das Unterschutzstellungsverfahren nicht weitergeführt. Erst nach dem Erwerb des Moorgebietes durch die ÖNJ im Jahr 1988 wurde das Verfahren wieder aufgenommen, und die bronzezeitlichen Siedlungsreste im Gerlhamer Moor wurden mit Bescheid des BDA vom 4. Oktober 1994 aufgrund ihrer Einzigartigkeit unter Denkmalschutz gestellt.
Das Gerlhamer Moor steht daher sowohl unter Denkmalschutz wie auch unter Naturschutz.
Pfahlbausammlungen in der Region
Umfangreichere Sammlungen zur Pfahlbauzeit sind im Heimathaus Schörfling, im Heimathaus Vöcklabruck und im Pfahlbaumuseum Mondsee zu besichtigen.
Pfahlbaudorf Kammer
1910 entstand in Kammer am Attersee eines der ersten Freilichtmuseen in Europa. Die Rekonstruktion eines jungsteinzeitlichen Pfahlbaudorfes im Wasser beruhte auf dem damaligen Wissensstand. Das Pfahlbaudorf wurde 1922 anlässlich von Dreharbeiten für den Spielfilm "Sterbende Völker" niedergebrannt.
Weltkulturerbe
Am 27. Juni 2011 hat das Welterbekomitee in Paris folgende Entscheidung getroffen:
111 Pfahlbauten in den Alpen sind Weltkulturerbe
Paris/Wien. Die prähistorischen Pfahlbauten der Alpen genießen künftig als Weltkulturerbe besonderen Schutz. Das Welterbekomitee der UNO-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) stimmte am Montag einem Gemeinschaftsantrag mehrerer europäischer Länder, darunter Österreich, zu.
Insgesamt waren 111 Pfahlbauten und Relikte prähistorischer Siedlungen - aus der Stein- und Bronzezeit - aus sechs Alpenländern für die Weltkulturerbeliste nominiert worden, darunter fünf aus Österreich. Die Fundstellen sind die ersten archäologischen Unterwasser-Denkmäler mit dem begehrten Titel.
Die Pfahlbaureste stammen nach Angaben von Archäologen aus der Zeit von 4300 bis 800 vor Christus und haben unter Wasser oder in feuchten Böden bis heute überdauert. Von dem Titel versprechen sich Experten unter anderem eine bessere Erforschung. Nur ein sehr kleiner Teil der Pfahlbausiedlungen ist bisher wissenschaftlich untersucht worden. Eingriffe des Menschen wie die Uferverbauung oder der Klimawandel beispielsweise am Bodensee führten hingegen dazu, dass Pfahlbau-Reste freigespült und damit zerstört würden.
Die Siedlungsspuren aus der Stein- und Bronzezeit befinden sich nach Angaben der deutschen Unesco-Vertretung in Paris in Seen und Mooren. Anders als in normalen Trockenbodenfundstellen sind dort organische Materialien wie Holz, Textilien, Pflanzen und sogar Essensreste erhalten. In der Siedlung Hornstaad-Hörnle - an der Spitze der in den Bodensee ragenden Halbinsel Höri gelegen - ist der älteste Hausgrundriss aus dem Jahr 3915 vor Christus nachweisbar.
Die Fundstellen aus Österreich sind die Pfahlbausiedlung inmitten des Keutschacher Sees südlich des Wörthersees in Kärnten sowie weitere vier Stätten in Oberösterreich, drei im Attersee in den Gemeinden Attersee und Seewalchen (Abtsdorf I und III, Litzlberg Süd) und eine im Mondsee (See im Mondsee). Die Pfahlbauten in Österreich gehen auf die Jungsteinzeit beziehungsweise auf die Bronzezeit zurück.
Auszug aus: Wiener Zeitung
Quellen
- Kurt Willvonseder: Eine bronzezeitliche Moorsiedlung in Gerlham bei Seewalchen, Jahrbuch des O.Ö. Musealvereins 111, 1966.
- Fritz Göschl, Helmut Pachler, Franz Hauser: Attersee-Attergau - Porträt einer Kulturlandschaft, 2. Auflage AtterWiki 2013 (1. Auflage REGATTA 2003)