Kirchenplatz in Seewalchen
Heute ist der Kirchenplatz in Seewalchen meist ein Abstellplatz für Autos. Lediglich der Weihnachts- und Jakobimarkt erinnern noch an andere Bedeutungen. Früher, besonders nach der "Kirche" (dem Gottesdienst), war der Platz ‘‘das‘‘ Kommunikationszentrum.
Der Platz
Alte Seewalchner erinnern sich:
In der Nachkriegszeit war der Kirchenplatz in Seewalchen nach der „Mess” (das war die Sonntagsmesse um 7 Uhr) prallvoll mit Leuten. Auch solche, die nicht in die Kirche gingen, ließen sich das Ereignis des „etwas inner werdens“, also das Erfahren von Neuigkeiten, nicht entgehen. Bevor sie zum Stallinger oder zum Häupl in der Hauptstaße auf ein „Lüngerl“ (Lungensuppe) gingen, kamen sie auf den Kirchenplatz.
Geschäftliches Treiben auf dem Kirchenplatz
Der Seiler in Schörfling verkaufte an einem Stand Seile, Stricke und Stränge. Die Pferdestränge, ein Teil des Saumzeuges wurden aus Hanf hergestellt, der unter anderem in unserer Gegend geerntet wurde. Sie mussten besonders stark sein.
Ein Hammerschmied aus Außerungenach hatte ebenfalls einen Stand am Kirchenplatz. Er bot sonntags Hacken, Denglhammer, Feilen usw. feil.
Auch die Ferkelhändler boten ihre Ware an, die sie vom Welser Ferkelmarkt kauften. Am Freitag machten sie sich mit dem Pferdefuhrwerk auf den Weg, übernachteten in Wels, kauften am Samstag am Markt ein und brachten dann die Schweine nach Hause.
Auch andere Viehhändler, Pferdehändler und Metzger nahmen die Möglichkeit wahr, ein Geschäft abzuschließen, wenn sie auch gelegentlich ins „Gäu” (also zu den Höfen selbst) gingen. Früher gab es keine Viehwagen, so musste der Metzger eben zu den Höfen, um die Ware selbst zu besichtigen oder andernfalls eben „überháps” kaufen.
Der Sauschneider, erkennbar an den weißen Hutfedern, kam, um mit den Bauern Termine zu vereinbaren.
Gegenüber dem Mesnerhaus steht vor dem Friedhofportal das „Schusterhäusl”. Josef Kaiblinger war der letzte, der auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg in diesem Häusl seine Werkstatt unterhielt.
"Verschreien" auf dem Kirchenplatz
Eine andere Informationsquelle für die Leute war das „Verschreien”. Der Gemeindesekretär oder Polizeimann rief Verordnungen oder andere lokale Gemeindeangelegenheiten aus. Dazu benutzte er ein ostseitiges Fenster im 1. Stock des Mesnerhauses, von wo er die wichtigen Nachrichten bekannt gab.
Und so mancher, der einer Neuigkeit oder einer Anordnung nicht glaubte, wurde darauf hingewiesen, dass das seine Richtigkeit haben müsse, „es wurde ja in der Freidgass´n (das ist der Weg vom eigentlichen Kirchenplatz bis zum Osteingang des Friedhofs) verschrian”.
Der Sekretär wird wohl eine kräftige Stimme gehabt haben müssen. In der NS-Zeit, an einem sehr kalten Wintertag, verließen die Leute sehr schnell den Platz, worüber sich der Beamte ärgerte und wütend rief: „Dem Pfåff'n håbts a zuaghört, åber bei mir rennt's davon”.
Vor dem Zweiten Weltkrieg stand auch die Steuereinhebung auf andern Füßen. So soll es vorgekommen sein, dass der Gemeindesekretär zu einem Bürger sagte: „Nimm bittschen nächsten Sunntag 6 Schilling mit, d´Steuer war´ wieder zum Zahln!“
Die Häuser
Mesnerhaus
Das Haus hatte verschiedene Verwendungen. Es war Schule, danach Gemeindekanzlei, Wohnhaus, Schneiderwerkstätte, Kindergarten, Treffpunkt für die Heimstunden der Jungschar und noch heute ist dort die Pfarrbücherei untergebracht.
Das alte Mesnerhaus wurde 1748 erbaut und diente bis 1876 als Volksschule. Bis zu 260 Kinder wurden dort unterrichtet und die Lehrer wohnten üblicherweise auch im Schulhaus. Danach verblieb dort die Gemeindekanzlei und es entwickelte sich ein Besitzstreit zwischen dem Kloster und der Gemeinde, der über 20 Jahre dauerte und 1894 zugunsten des Klosters Michaelbeuern entschieden wurde.
Lange Zeit war es die Wohnung der Mesnerleute. Der Mesner in den 1950er Jahren wohnte mit seiner Familie im Haus und hatte dort auch seine Schneiderei. Zu den Aufgaben des Mesners gehörte auch - bevor es um 1964 ein elektrisches Läutwerk gab - das manuelle Läuten mit den Seilen. Da durften auch die Ministranten mithelfen, weil ja beim „Z´såmmläuten” alle drei Glockenstricke gezogen werden mussten. Zur Not schaffte er es aber auch alleine, das gesamte Geläut in Bewegung zu halten.
Schon seine Eltern waren Mesnerleute. Sein Vater, hauptberuflich Friseur; war ein leutseliger Mensch und immer zu Späßen aufgelegt war. Und wenn Kundschaft kam, musste man, so wurde erzählt, den Barbier oft beim Stallinger holen.
In dieser Zeit war es auch üblich, dass die Mesnerleute noch selber 2 Schweine fütterten. Im hinteren hölzernen Teil des Mesnerhauses war eine Schweinekoben eingerichtet.
Zuvor, bis 1870, wurden die Mesnerdienste meist vom Schulmeister wahrgenommen.
Kaufhaus
Das Haus Kirchenplatz 1 war lange Zeit ein wichtiges Kaufgeschäft in Seewalchen und wird in alten Schriften als „Consum“ erwähnt. Nach dem Konkurs des Konsumvereins um 1900 kaufte der Kaufmann Georg Kump das Haus und betrieb eine Gemischtwarenhandlung. Später führte es die Familie Werner, dann folgte der Pächter Krottendorfer und ab 1956 Hermann Prüher.
Der Begriff „Gemischtwarenhandlung“ war sehr treffend. Man bekam „alles“, was man brauchte: Lebensmittel, Jause, Zigaretten (auch einzeln), Ansichtskarten, eine Flasche Bier und einige 60er Nägel. Es gab aber auch Stoffe und Nähzubehör.
1985 wurde die Gemischtwarenhandlung geschlossen. Danach führte Renate Breit zuerst eine Modeboutique, später dann eine Trafik und dann bis 2003 das „Café Jackpot“. Derzeit ist ein Antiquitätengeschäft untergebracht.
Doktorhaus
Das Haus Kirchenplatz 3 wurde in der Mitte des 19. Jh. vom Gastwirt Gugg (heute Stallinger) im Zuge des aufkommenden Fremdenverkehrs als Gästehaus errichtet. Hier war dann später das erste Postamt Seewalchen. Da die Ärzte Dr. Fritz Seifert und später Dr. Günther Seifert hier bis ca. 1975 ihre Ordinationen hatten, wurde das Gebäude meist „Doktorhaus“ genannt.
Wirtshaus
Der Kirchenplatz wird an der Ostseite vom Gasthaus Stallinger, allgemein als „Wirtshaus“ bezeichnet, begrenzt. Vor dem Umbau des Gasthauses war der Platz etwas größer. Dort fanden unter einem Baum gelegentlich Platzkonzerte der Blasmusik statt. Und man konnte südseitig (zwischen Gastgarten und Haus) auf die Hauptstraße gehen oder fahren. Um 1985 wurde das Gasthaus erweitert und der frühere Durchgang aufgelassen.
In den 1960er Jahren war im Stallinger-Stadl eine Kegelbahn untergebracht, die sich großer Beliebtheit erfreute.
Quellen
Erinnerungen von
- Alois Baumgartinger
- Franz Sumereder (+)
- Josef Ploner sen. (+)
- Johann Rauchenzauner