Reiserbauer-Mühle
Die Reiserbauermühle zog neben vielen Wanderern auch Architekturstudenten an, die im Rahmen einer gemeinsamen Projektarbeit den Baubestand in höchster Genauigkeit erfassten und in Planen zu Papier brachten. Bei der Errichtung im 17. Jh. nahm man es nicht so genau mit Maßen und Koten. Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden teilweise in die vorliegenden Broschüre aufgenommen.
„ Die Kleinteiligkeit der Mühle mit ihrer noch voll funktionstüchtigen Maschinerie erforderte größte Sorgfalt und geringste Toleranzen bei der Vermessung. Obwohl der Zeitaufwand dadurch auf ein Vielfaches des vorgesehenen heranwuchs, war die Abriet etwas ganz besonderes: der besondere Reiz der etwa dreihundert Jahre alten Mühle und die herrliche Lage im Wald an dem plätschernden Bach, besonders, wenn Sonnenstrahlen durch das Blätterdach brachen, bescherten uns unvergessliche Eindrücke. Nicht zuletzt bestätigte die Anerkennung von Seiten des Institutes und der Gemeinde Nußdorf unsere Bemühungen. So hoffen wir, mit unserer Arbeit zum Verständnis und zur Erhalten dieses Kulturdenkmales beigetragen zu haben.“
Eine Getreidemühle erzählt
Mühlen hatten bis vor wenigen Jahrzehnten größte Bedeutung für unsere Ernährung. Die Bereitstellung von Getreide und Mehl entzieht sich heute weitgehend unserem Wissen und unserer Beobachtung. Anders war es bei der geschlossenen bäuerlichen Hauswirtschaft unserer Ahnen. Dort musste ein Großteil der Bedarfsgüter selbst hergestellt werden, auch das Mehl für das tägliche Brot. Das machte zwar unabhängig, erforderte aber viel Aufwand.
Das Wasser wurde als Energieträger schon früh genutzt. Aber nicht nur für Getreidemühlen, sondern auch Papiermühlen, Pulver- und Ölmühlen, Säge- und Hammerwerke wurden durch Wasserräder angetrieben. Die Überreste sind noch bestenfalls als Fotomotive tauglich.
Im 15. und 16. Jh. kamen große Mühlen nicht selten in den Geruch von Ausschweifung. Die Müllersarbeit war schwer nachprüfbar, was zu Verleumdungen als Betrüger und Mehlverschlechterer führte und den Müller in eine soziale Außenseiterstellung brachte.
Grundherrschaften duldeten nicht immer den freien Mühlbetrieb und übten eine Mühlenzwang aus, indem sie die unfreien Bauern zum mahlen in den herrschaftlichen Mühlen zwangen.
Die Reiserbauermühle war eine Haus- oder Bedarfsmühle und hatte weder unter dem Ruf von Laster oder Mehlverderber zu leiden noch war sie je einem Mühlenzwang unterworfen.
Bedeutendster Gutsherr war hier das Kaiserhaus Habsburg, das den Großteil des Waldes für die Salzversottung im inneren Salzkammergut nützte. Etwa 600 ha Wald sind in Nussdorf noch heute im Besitz der Bundesforste. Die andern Hoheiten, wie der Salzburger Fürstbischof, das Nonnenkloster Traunkirchen, die Schlossherrn von Kammer a.A., Kogl bei St. Georgen oder Walchen bei Vöcklamarkt hatten es mehr auf den Fischreichtum des Sees abgesehen. Unsere Berge waren schwer erreichbar und so kümmerte man sich kaum um das Treiben der Menschen und ihre Sorgen. Die Errichtung immer neuer Mühlen war eine Überlebensfrage. Im Attergau und Mondseeland waren einige Mühlenbauer beschäftigt. Die Mühlen mussten der Not der Bauern entsprechend billig sein, was einen raschen Verfall zur Folge hatte. Die Elektrifizierung erfolgt am Reiserbauerhof 1924 mit Lichtstrom, 1930 mit Kraftstrom. In den entlegensten Gemeindegebieten von Nussdorf war es erst nach dem 2. Weltkrieg so weit. Dieser Fortschritt für die Bewohner bedeutete das aus für das Wasserrad als Antriebskraft. An unserer Mühle werkte der junge Reiserbauer noch 1952. Als das Wasserrad zerfiel, war auch für ihn die Nostalgie zu Ende. Ab 1985 besannen sich Idealisten in Nussdorf der letzten Chance, eines dieser ehemaligen Meisterwerke bäuerlichen Erfindergeistes vor dem endgültigen Verfall zu retten.
Wiedergeburt
In den 80er Jahren setzten sich einige Nussdorfer die Wiederherstellung der ehemaligen Reiserbauer-Mühle in den Kopf. Dank dem Einverständnis des Besitzers Gottfried Löschenberger, Reiserbauer, und einer stattlichen Anzahl von freiwilligen Helfern ging man unter der fachmännischen Anleitung des ehemaligen Bundesforste-Zimmermanns Toni Hemetsberger ans Werk. Um den weiteren Verfall zu stoppen, wurde zunächst ein neues wasserdichtes Schindeldach aufgesetzt. Die hohe Luftfeuchtigkeit und der ständige Laubfall verringern die Lebensdauer solcher Bauten beträchtlich. Eine „technische Beschau“ machte uns Mut, das Räder- und Mahlwerk wieder in gang zu bringen. Einzelne Werkteile fehlten gänzlich, darunter auch das Mühlrad. Die Suche nach fehlenden Stücken hatte Erfolg. Das Wasserrad zimmerte Toni Hemetsberger. Der steingemauerte Gründlbock außerhalb des Wasserrades und die feste Auflage innerhalb des Steinsockels sind ebenfalls neu. Der Lauf des Rades darf weder Mauer noch Holzwerk belasten.
Die verlängerte Achse des Wasserrades ist der Gründl, der über das Kammrad (Kämprad) den hölzernen Triebling in Bewegung bringt und die liegende Achswelle in eine stehende bringt – das Vorbild für das modere Teller-Zahnrad im Fahrzeuggetriebe. Das Mahlgut wird zwischen den horizontalen Mühlsteinen zerrieben. Im Beutelkasten wird durch ständiges Vibrieren (=beuteln) die Kleie vom Mehl getrennt. Die Mühle war immer defektanfällig. Es war daher für den Müller wichtig, durch ständiges Losen (hinhören) aus dem Geräusch des Mahlwerks rechtzeitig Schäden zu erkennen, um größeren Reparaturen vorzubeugen.
Hilfreich ist des Wassers Macht …
Die Reiserbauer-Mühle hatte wenig Wasser zur Verfügung, wurde als „oberschlächtig“ betrieben, d.h. das Wasser wurde von oben her mit einem Kandel auf das Rad geleitet. Im Gegensatz zu unterschlächtigen funktioniert unser Wasserrad nach dem Gewichtsprinzip. Die Schaufeln sind Kästen, die mit Wasser gefüllt das Rad zum Drehen bringen und mit geringem Wasserbedarf in Drehung halten. Je größer das Rad, umso leichter kann es in Drehung gebracht werden.
Die Mahlarbeit in der Reiserbauer-Mühle war nur bei ergiebigen Wasseranfall möglich (Wolkenbruchmühle). Um die Wasserreserve zu vergrößeren und einen gleichmäßigen Lauf zu erreichen, errichtete man oberhalb der Mühle einen künstlichen Schwöllteich mit einem verschließbaren Ablaufschacht. Die von hier wegführende Rinne aus gehackter Halbschale oder aus geschnittenen Pfosten müssen immer wieder erneuert werden. Weil der mahlende Bauer Zeit und Regenwetter nützen musste, um auch nur geringe Mehlmengen zu erzielen, war auch Nachtarbeit notwendig. Eine karge Bettstatt in seiner kleinen Kammer erlaubte zwischendurch einen Kurzschlaf. Der niedrige Körnerstand in der Einlaufgosse setzte ein Glöckerl in Bewegung und erinnerte den Müller daran, Getreide nachzufüllen. Der Wassermotor wäre auch am Bauernhof eine willkommene Arbeitserleichterung gewesen. Der Reiserbauer hat es, wie auch viele andere Mühlenbauern, mit dem genügsamsten Knecht probiert und über lange Stahlseile und mehrere Zwischenrollen die Antriebskraft vom Walde 160 Meter zum Hof heraufgeholt. So betrieb er etwa von 1910 bis 1950 seine Futterschneidemaschine und den Stiftendrescher.