Maibaum
Zum Brauchtum im Attergau gehört auch das Aufstellen von Maibäumen am Vorabend des ersten Mai jeden Jahres.
Herkunft
Maibäume sind fast in ganz Europa anzutreffen. Die Entstehungsgeschichten sind vielfältig und haben vermutlich einen heidnischen Ursprung. Die erste Erwähnung ist im 13. Jahrhundert in Aachen zu finden. Im 17. Jahrhundert, als in der Walburgisnacht vom 30. April zum 1. Mai Umtriebe böser Geister vermutet wurden, sollte er Hexen vertreiben. Der Maibaum gilt auch als Fruchtbarkeitssymbol. Die Befreiung von der feudalen Grundherrschaft nach der 1848er-Revolution wurde mit Freiheitsbäumen zum gefeiert. Der Nationalsozialismus nützte seine Symbolkraft und versah Maibäume 1938 mit einem Hakenkreuz. Zeiten der Verehrung wechselten mit Verboten. Entsprechend vielfältig sind die Formen, Ausprägungen und das Brauchtum rundherum.
Auswahl und Aufputz
Im Attergau wird jedes Jahr ein frischer, möglichst schlanker Fichtenbaum mit etwa 20 bis 30 Metern Höhe im Wald ausgesucht. Gleich nach der Fällung wird er sauber entastet, entrindet und zumeist in die Scheune eines Bauernhauses gebracht. Seine spezielle Krone bekommt der Maibaum vom Wipfel eines kleineren Baumes mit schönen, gleichmäßigen Ästen, der mit Eisenringen angeschiftet wird. An den Abenden vor dem Aufstellen putzen Frauen und Männer des Ortes den Maibaum auf. Er wird mit einer langen Girlande aus Tannenreisig umwunden und mit zwei bis drei großen Kränzen geschmückt. Kränze und Baumwipfel sind mit bunten bändern und Fransen verziert.
Das Maibaumstehlen
In der Zeit vor dem Aufstellen des Maibaums lauert die Gefahr, dass er von den Burschen eines Nachbarortes gestohlen wird. Wenn ein solches Vorhaben gelingt, muss der Baum, meist vom Spott der Diebe begleitet, mit Bier ausgelöst werden. Vom Alkohol begünstigt, ist manchmal nicht auszuschliessen, dass die Grenzen zwischen Brauchtum und Vandalismus verschwimmen. Anstatt des Stehlens wird etwa der stehende Maibaum angesägt oder angehackt. Das zeugt von Übermut und von Unkenntnis der ungeschriebenen Brauchtumsregeln.
Um Gefahren und Streitereien entgegen zu wirken, hat das Tagblatt im bayerischen Landsberg den folgenden Ehrenkodex für Maibaumdiebe zusammengestellt und veröffentlicht. Diese Regeln werden im Wesentlichen auch im Attergau so gepflegt:
* Diebe, die noch innerhalb der Gemeindegrenze beim Abtransport des Maibaumes erwischt werden, müssen den Baum zurückgeben.
* Vereine oder Gruppen aus der eigenen Gemeinde sind von dem Vergnügen des Maibaumstehlens ausgenommen, soweit sie es nicht auf einen fremden Baum abgesehen haben.
* Gewalt gegenüber Bewachern darf auf keinen Fall ausgeübt werden. Wenn ein Bewacher die Hand auf den Baum legt, ist dieser tabu.
* Der Baum darf weder zersägt noch anderwärtig beschädigt werden.
* Diebsgut ist immer nur der Baum, nicht Kränze, Tafeln oder Fahndln.
* Aufgestellte Bäume dürfen nicht mehr gestohlen werden.
* Ein Baum darf erst gestohlen werden, wenn er innerhalb der Ortsbeschilderung aufbewahrt wird.
* Der Baum darf nur heimlich, eben unentdeckt, gestohlen werden.
* Ist ein Diebstahl geglückt, gibt es für die Auslösung des Baumes ungeschriebene Verhaltensregeln, die unbedingt einzuhalten sind. Ausgelöst wird meist mit Bier und Jause. Oft begleitet die Blaskapelle die Geschädigten in den Nachbarort, wo sich dann schnell eine improvisierte Feier entwickelt.
* Wird ein gestohlener Maibaum nicht ausgelöst, so dürfen ihn die Diebe im eigenen Ort auch als einzigen Maibaum aufstellen oder ihn als Schandbaum neben den ihrigen setzen.
* Das Stehlen des Maibaums soll so gehandhabt werden, dass Polizei und Gericht nicht benötigt werden.
Quelle: Landsberger Tagblatt vom 20. April 2005
Das Maibaumaufstellen
Am Vorabend des 1. Mai wird der Baum aus der Lagerscheune geholt und mit Begleitung der örtlichen Musikkapelle und der Bevölkerung zum Aufstellungsort gefahren. Kinder dürfen sich während der Fahrt auf den Maibaum setzen. Zumeist ist ein regelmäßiger Aufstellungsplatz mit einem ausbetonierten, etwa zwei Meter tiefen Loch eingerichtet in das der Maibaum sicher eingelassen werden kann.
Unter dem Kommando eines stimmgewaltigen Anschaffers, der alle anderen übertönen muss, wird der Maibaum langsam aufgerichtet. Dazu dienen sogenannte Baumscheren – überkreuzte, mit Ketten zusammengebundene Holzstangen - in verschiedenen Längen. Zuerst werden die kurzen Baumscheren schräg unter den Baum gestellt und ruckweise immer weiter zum Stamm hin aufgerichtet. Danach die nächst längere Baumschere und so fort. Zur Sicherung gegen das Abrutschen sind die Klemmstellen zwischen Schere und Maibaum mit spitzen Eisenkrallen versehen.
Auf beiden Seiten jeder Baumschere heben drei bis vier kräftige Männer gleichzeitig auf Kommando die Stangen hoch und nach vorne. Es sind vier bis fünf Baumscheren gleichzeitig im Einsatz. Umso mehr sich der Maibaum aufrichtet, umso weiter müssen abwechselnd die Baumscheren nachgesetzt werden. Das Kommando lautet ungefähr so: ho a ho.
Der Moment, wenn der Baum senkrecht steht und mit einem Ruck das letzte Stück ins Loch hinein rutscht, wird von den Zuschauern mit Beifall beklatscht. Der Anschaffer nagelt zum Abschluss eine Spruchtafel und zwei überkreuzte Fahnen an den Baum. Die Musikkapelle spielt noch einen flotten Marsch und alle Beteiligen und Zuschauer verteilen sich in die Gasthäuser der Umgebung.
Nach der Überlieferung soll der Maibaum bis Ende Mai oder bis Pfingsten stehen bleiben. Durch den Tourismus hat es sich mancherorts eingebürgert, ihn bis zu Saisonende im Herbst stehen zu lassen. Einerseits weil die Zeit zum Umschneiden fehlt und andererseits, weil der Maibaum den vielen Sommergästen ein Stück lebendig gehaltenes Brauchtum vermittelt.
In den Artikeln, Nußdorfer Dorfleben 1860-1960 und Tagebuch des Michl Wiesinger 1830 - 1895 wird auf Leben und Brauchtum vergangener Zeiten in einem typischen Attergauer Dorf eingegangen.
Quellen
- Walter Großpointner - Heimatgeschichtliche Sammlung
- Manfred Hemetsberger
- Regatta Kulturvernetzung