Atterwiki:Test hem: Unterschied zwischen den Versionen
Keine Bearbeitungszusammenfassung |
Keine Bearbeitungszusammenfassung |
||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
= | =Nußdorfer Dorfleben 1860 – 1960= | ||
==Einleitung== | ==Einleitung== | ||
[[Nussdorf am Attersee]] war bis ins 20. Jahrhundert vom bäuerlichen Alltag geprägt. Die Beschaffung der fundamentalen Lebensgrundlagen nahm den größten Teil der Zeit und der Arbeitskraft in Anspruch. Die zum bescheidenen Leben nötigen Dinge wurden weitgehend im Ort selbst hergestellt. Die gegenseitige Abhängigkeit bewirkte einen gesellschaftlichen Zusammenhalt, der | [[Nussdorf am Attersee]] war bis ins 20. Jahrhundert vom bäuerlichen Alltag geprägt. Die Beschaffung der fundamentalen Lebensgrundlagen nahm den größten Teil der Zeit und der Arbeitskraft in Anspruch. Die zum bescheidenen Leben nötigen Dinge wurden weitgehend im Ort selbst hergestellt. Die gegenseitige Abhängigkeit bewirkte einen gesellschaftlichen Zusammenhalt, der in Nachbarschaftshilfe, sowie in Brauchtum und Festen seinen Ausdruck fand. | ||
Mit dem Beginn des Fremdenverkehrs im 19. Jahrhundert kam die Bevölkerung schon früh mit bis dahin Unbekanntem in Berührung und reagierte sehr aufgeschlossen. Im [[Tagebuch des Michl Wiesinger 1830 - 1895]] steht vermerkt: „Welt Ausstellung in Wien war ich und der Gruber, Resch, Domibauer, Winterleittner in der Fronleichnams Wochen 1873“. Überregionaler Handel mit Produkten aus dem Dorf gehörte zur Normalität. [[Niedermayrsäge|Sägeholz]] wurde bis Wien und Budapest [[Flößer|geflöst]]. Die Ursprünge einer heute noch bestehenden [[Gerberei]] am Nussdorfer Bach geht vermutlich bis ins 13. Jahrhundert zurück. | Mit dem Beginn des Fremdenverkehrs im 19. Jahrhundert kam die Bevölkerung schon früh mit bis dahin Unbekanntem in Berührung und reagierte sehr aufgeschlossen. Im [[Tagebuch des Michl Wiesinger 1830 - 1895]] steht vermerkt: „Welt Ausstellung in Wien war ich und der Gruber, Resch, Domibauer, Winterleittner in der Fronleichnams Wochen 1873“. Überregionaler Handel mit Produkten aus dem Dorf gehörte zur Normalität. [[Niedermayrsäge|Sägeholz]] wurde bis Wien und Budapest [[Flößer|geflöst]]. Die Ursprünge einer heute noch bestehenden [[Gerberei]] am Nussdorfer Bach geht vermutlich bis ins 13. Jahrhundert zurück. | ||
Zeile 14: | Zeile 14: | ||
==Die Dorfgemeinschaft == | ==Die Dorfgemeinschaft == | ||
Die Nußdorfer „Herrenbauern“ | Die Nußdorfer „Herrenbauern“ schafften in die Früh die Arbeit an und gingen dann zum Bürgertag ins Wirtshaus, zum Bräu oder zum Fleischhacker. Das mag wohl im 19. Jahrhundert so gewesen sein. Insbesondere nach 1945 hat sich die Lage stark und schnell verändert. Die wenigen Dienstboten, die vom Krieg heimkamen orientierten sich neu und suchten ein besseres Leben als Arbeiter in den Industriebetrieben der Umgebung. Durch die Hochkonjunktur wurde die Arbeitskraft für Tätigkeiten in der Landwirtschaft nicht mehr leistbar. Der einzige Ausweg war die Anschaffung technischer Hilfsmittel und ein extrem hoher Arbeitseinsatz der Bauernfamilie. Der gute Holzpreis erleichterte die Finanzierung der kostspieligen Investitionen. Mit dem aufblühenden Tourismus, der in den 1970er Jahren seinen Höhepunkt erreichte, entstanden auf einigen Wiesen und Feldern am Seeufer große Campingplätze. Fremdenzimmer und Ferienwohnungen kamen in fast jedes, dafür geeigneten Haus. | ||
Heute, im Jahr 2010, gibt es kaum mehr bewirtschaftete Bauerhöfe im Dorfgebiet von Nußdorf. Viele Gründe sind verpachtet oder wurden als Bauland für Ferienhäuser verkauft. Ein Golfplatz ist zwischen Nußdorf und Attersee entstanden. Die Besitzer der stattlichen Höfe verdienen sich ihren Lebensunterhalt anderwärtig. Trotzdem ist ein gewisser gesellschaftlicher Zusammenhalt geblieben, wie die aktiven Vereine und die gemeinsamen Feste und Veranstaltungen zeigen. | |||
<gallery> | <gallery> | ||
Bild:Nußdorfer Bürger 1860.jpg|Nußdorfer Bürger um 1860 | Bild:Nußdorfer Bürger 1860.jpg|Nußdorfer Bürger um 1860 | ||
Zeile 23: | Zeile 23: | ||
Bild:Ledererhaus um 1900.jpg|[[Gerberei|Im Ledererhaus]] wird über acht Jahrhunderte bis heute Gerbergeschichte geschrieben | Bild:Ledererhaus um 1900.jpg|[[Gerberei|Im Ledererhaus]] wird über acht Jahrhunderte bis heute Gerbergeschichte geschrieben | ||
Bild:Kollerhof 1934.jpg|Kollerhof (Morizenbauer) Nußdorf 1934 | Bild:Kollerhof 1934.jpg|Kollerhof (Morizenbauer) Nußdorf 1934 | ||
Bild:Niedermayrhof mit Leuten 1947.JPG| | Bild:Niedermayrhof mit Leuten 1947.JPG| - Niedermayrhof 1947 - Der Bauernhof, ein Microkosmos gegenseitiger Abhängigkeiten | ||
[[</gallery> | [[</gallery> | ||
Zeile 29: | Zeile 29: | ||
===Im und ums Haus=== | ===Im und ums Haus=== | ||
An jedem der Nußdorfer Bauernhöfe waren mehrere Dienstboten, Mägde und Knechte beschäftigt. Alljährlich zu Lichtmess mussten sie vom Bauern „angehalten“, also zum Weiterverbleib im nächsten Jahr aufgefordert werden. Wurde ein Dienstbote an diesem Tag nicht angehalten, hatte er ohne weitere Aufforderung den Hof zu verlassen. Der Hausknecht oder „Hausl“ bei den Knechten und das „Hausmensch“ bei den Mägden teilten die Arbeit ein. Sie waren sozusagen die Vorarbeiter bzw. Vorarbeiterinnen. Im Haus war viel zu tun. Die Stallarbeit und die Hausarbeiten mussten verrichtet und das Vieh versorgt werden. Werkzeuge wurde großteils am Hof instand gehalten. Es wurde Vieh geschlachtet, das Fleisch aufgearbeitet, geselcht und konserviert, es gab weder Gefriertruhe noch Kühlschrank. Auf die Schlachtzeit freuten sich alle im Haus. Innereien, Blunzn (Blutwurst) und andere wenig haltbare Fleischteile wurden zu frischen, ausgiebigen, köstlichen Mahlzeiten verkocht. | |||
Die Milch wurde mit der „Milchmaschine“ in Magermilch und Rahm geschleudert, zu Butter verarbeitet und die Magermilch an die Kälber verfüttert. Jeder Bauernhof hatte einige Milchkundschaften aus der Nachbarschaft, die täglich abends mit der „Milchpitschn“ die Milch holten. Die Hühnereier wurden in eine Kalkbrühe eingelegt um die schwachen Legezeiten zu überbrücken. | |||
Auch das Brot wurde auf den Höfen gebacken. Obst und andere Früchte eingeweckt, zu Most gepresst oder zu Schnaps gebrannt. Kraut wurde gehobelt und zu Sauerkraut eingemacht. Aus den Bauerngärten kamen nicht nur die verschiedensten Gemüse und Gewürze, sondern nicht selten auch Heilkräuter und die schönsten Blumen. | |||
Neben der Land- und Forstwirtschaft mussten die Bauern noch die Molkerei, Metzgerei, Bäckerei, Obstbau, Gartenbau, Destillerie, Instandhaltung aller möglichen technischen Hilfsmittel und die Tierhaltung oft bis zum Tierarzt beherrschen. Dazu musste ein Bauer auch noch ein ausgezeichneter Kaufmann und Menschenkenner sein, sich rechtlich gut auskennen und alle seine Grundstücksgrenzen genau im Auge behalten. Um einen Bauernhof erfolgreich zu bewirtschaften, war ein enorm umfangreiches und vielschichtiges Fachwissen erforderlich. Ein komplexer, biologischer Mikrokosmos, der sich überwiegend selbst erhalten konnte. In mancher Hinsicht vielleicht ein Vorbild für die Zukunft. | |||
<gallery> | <gallery> | ||
Bild:Niedermayrhof1916 Georg Hemetsb.JPG|Das Pferd wassern und einspannen konnten schon die Jungen – Georg Hemetsberger am Niedermoarhof 1916 im Alter von 13 Jahren | Bild:Niedermayrhof1916 Georg Hemetsb.JPG|Das Pferd wassern und einspannen konnten schon die Jungen – Georg Hemetsberger am Niedermoarhof 1916 im Alter von 13 Jahren | ||
Zeile 37: | Zeile 43: | ||
Bild:Butterfaß 1940.jpg|Butterstößeln im Butterfaß 1940 | Bild:Butterfaß 1940.jpg|Butterstößeln im Butterfaß 1940 | ||
Bild:Hausleute+Pferd1943.JPG|Der Umgang mit Pferden war Herausforderung wie Faszination und wurde von Generation zu Generation weitergereicht | Bild:Hausleute+Pferd1943.JPG|Der Umgang mit Pferden war Herausforderung wie Faszination und wurde von Generation zu Generation weitergereicht | ||
Bild:KinderPferd1947-2.jpg|Auf dem Niedermoarhof – Manfred Hemetsberger mit Sommerfrischlerkind beim Reitversuch 1947 | |||
Bild:Schafwolle Spinnen 1950.jpg|Spinnen von Schafwolle 1950 | Bild:Schafwolle Spinnen 1950.jpg|Spinnen von Schafwolle 1950 | ||
Bild:Sensen Dengeln 1950.jpg|Sensen Dengeln 1950 - die Arbeit für die Alten | Bild:Sensen Dengeln 1950.jpg|Sensen Dengeln 1950 - die Arbeit für die Alten | ||
Zeile 45: | Zeile 52: | ||
Bild:Adelführen 1957.JPG|Die Jauche wurde händisch aus der Grube in das Fass geschöpft. Die Bezeichnung „Adel“ kann als Andeutung verstanden werden, was man von der herrschenden Oberschicht hielt. | Bild:Adelführen 1957.JPG|Die Jauche wurde händisch aus der Grube in das Fass geschöpft. Die Bezeichnung „Adel“ kann als Andeutung verstanden werden, was man von der herrschenden Oberschicht hielt. | ||
</gallery> | </gallery> | ||
===Auf den Wiesen=== | ===Auf den Wiesen=== | ||
Ein üblicher Bauernhof in Nußdorf hatte etwa 20 Stück Rindvieh und 10 Schweine zu versorgen, die von Fühjahr bis Herbst mit Gras und im Winter mit Heu gefüttert wurden. Um das Heu im Frühsommer und das Grummet (Groamat) im Spätsommer als Wintervorrat auf den Heuboden zu bringen war viel Arbeit erforderlich. | |||
<gallery> | <gallery> | ||
Bild:Heuarbeit 1910.jpg|Heuarbeit 1910 | Bild:Heuarbeit 1910.jpg|Heuarbeit 1910 – die Kinder mussten das Heu am Wagen richten und treten | ||
Bild:Jausenzeit am See 1936.jpg|Jausenzeit am See 1936 | Bild:Jausenzeit am See 1936.jpg|Jausenzeit am See 1936 – die Leute vom Roiderhof | ||
Bild:Roider Grubmahd.JPG|Das Grubmahd ist eine Bergwiese hoch über Nußdorf und der Weg war weit | Bild:Roider Grubmahd.JPG|Das Grubmahd ist eine Bergwiese hoch über Nußdorf und der Weg war weit | ||
Bild:Heuernte 1940.JPG|Im Kriegsjahr 1940 wurde jede Hand dringend gebraucht | Bild:Heuernte 1940.JPG|Im Kriegsjahr 1940 wurde jede Hand dringend gebraucht | ||
Bild:Heuernte 1941.JPG|Hauptsächlich Frauen und Kinder aber auch einige Kriegsgefangene, vor allem aus Russland trugen die Hauptlast der Arbeit | Bild:Heuernte 1941.JPG|-1941- Hauptsächlich Frauen und Kinder aber auch einige Kriegsgefangene, vor allem aus Russland trugen die Hauptlast der Arbeit | ||
Bild:HeuarbeitHiaslbauer1952.JPG|Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Arbeit | Bild:HeuarbeitHiaslbauer1952.JPG|-1952- Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Arbeit allmählich leichter | ||
Bild:HeuarbeitStreit1952.JPG| | Bild:HeuarbeitStreit1952.JPG|-1952- Männer, die vom Krieg heim kamen lieferten wieder vollen Einsatz bei der Ernte | ||
Bild:HeufuhreGummibereifung1952.JPG|Die alten Leiterwagen mit eisenbereiften Holzrädern wurden | Bild:HeufuhreGummibereifung1952.JPG|-1952- Die alten Leiterwagen mit eisenbereiften Holzrädern wurden durch Wägen mit Gummibereifung ersetzt. Der Wagner Sagerer in Altenberg war bekannt für raffinierte technische Lösungen zur Arbeitserleichterung. | ||
Bild:Heuumkehren1952.JPG|Heuumkehren | Bild:Heuumkehren1952.JPG|-1952- Heuumkehren mit dem Rechen. | ||
</gallery> | </gallery> | ||
===Auf den Feldern=== | ===Auf den Feldern=== | ||
Bei der Getreideernte, dem Droadmahn, war die Arbeit meist so verteilt, dass die Männer mit der Sense das Korn mähten, die Frauen banden die Garben zusammen und die Kinder mussten beim Kornmandl aufstellen die Garben aufrecht halten. Nach einigen Wochen und schönem Wetter wurden die Getreidegarben heim auf den Troadboden gebracht, wo sie bis zum Dreschen lagerten. | |||
Auf die leeren Felder wurde Jauche (geadelt) und Mist (mistgfiad) gebracht, der Mist ausgebreitet (mistbroat), gepflügt (umgfahrn) und geeggt (brott). Im nächsten Frühjahr war wieder Zeit zum sähen. Neben Weizen, Roggen (Korn), Hafer, Gerste wurden auch Kartoffen (Erdäpfel), Kraut und Futterrüben (Runkeln) angebaut. Für die Schulkinder rochen die umgefahrenen Felder nach Schulanfang. | |||
<gallery> | <gallery> | ||
Bild:Kornschnitt m Sichel 1920.jpg|Kornschnitt mit Sichel 1920 | Bild:Kornschnitt m Sichel 1920.jpg|Kornschnitt mit Sichel 1920 | ||
Bild:Pflügen 1920.jpg|Pflügen mit Pferden 1920 | Bild:Pflügen 1920.jpg|Pflügen mit Pferden 1920 | ||
Bild:Korn einfahren m Ochsen 1929.JPG|Ochsen waren beliebte Zugtiere in den kleineren Bauernhöfen | Bild:Korn einfahren m Ochsen 1929.JPG|Ochsen waren beliebte Zugtiere in den kleineren Bauernhöfen, hier beim Einfahren der Korngarben 1929 | ||
Bild:Pflügen 1940.JPG|Pflügen mit Pferden 1940 | Bild:Pflügen 1940.JPG|Das Pflügen mit Pferden dauerte 1940 viele Wochen; 50 Jahre später mit Traktoren nur mehr wenige Stunden | ||
Bild:Sähmaschine 1940.JPG|Eine Sähmaschine mit Pferdezug war 1940 eine bedeutende Errungenschaft | Bild:Sähmaschine 1940.JPG|Eine Sähmaschine mit Pferdezug war 1940 eine bedeutende Errungenschaft | ||
Bild:Kornschnitt 1941.JPG|Kornschnitt im Kriegsjahr 1941 – eine mühevolle Arbeit bei der jede Hand gebraucht wurde | Bild:Kornschnitt 1941.JPG|Kornschnitt im Kriegsjahr 1941 – eine mühevolle Arbeit bei der jede Hand gebraucht wurde | ||
Bild:OchsenFeldarbeit1945.JPG| Im Vergleich zu Pferden waren Ochsen langsamer | Bild:OchsenFeldarbeit1945.JPG| Im Vergleich zu Pferden waren Ochsen langsamer und oft schwer zu überzeugen was sie tun sollen | ||
Bild:Feldarbeit1950.JPG| | Bild:Feldarbeit1950.JPG|-1950- Wenn die Pferde vorne gut geführt wurden, konnte der Knecht auch einmal eine Pfeife rauchen | ||
Bild:Kornmandl 1957.JPG|So sahen fertige Kornmandln 1957 aus. Mit dem Einzug der Mähdrescher in den 1960er Jahren war ihre Zeit vorbei. | Bild:Kornmandl 1957.JPG|So sahen fertige Kornmandln 1957 aus. Mit dem Einzug der Mähdrescher in den 1960er Jahren war ihre Zeit vorbei | ||
</gallery> | |||
===Dreschen=== | |||
Die Druschtage im Herbst waren eine Herausforderung für jeden Hof. Das Dreschen war nicht nur eine sehr staubige, sondern auch eine lustige Arbeit, bei der alle im Dorf zusammen halfen. Die jungen Mädchen waren stets Ziel von Späßen der Burschen. Alle Leute wurden verköstigt und am Abend wurde in der Stube musiziert, getanzt und gespielt. Der „Maschintanz“ wurde zur Tradition. | |||
<gallery> | |||
Bild:DreschmaschMoarDexelbach1910.JPG|Der Moar in Dexelbach ist ein Bauernhof mit viel Wald, Wiesen und Feldern und war zugleich Wirtshaus. Beim Dreschen 1910 ging es hoch her. | |||
Bild:DreschmaschRoider1912.JPG|Die Dreschmaschine im Roiderhof 1912 | |||
Bild:DreschmaschSchmied1937.JPG|Dreschen beim Schmied 1937 | |||
</gallery> | </gallery> | ||
===Wald- und Holzarbeit=== | ===Wald- und Holzarbeit=== | ||
Der Wald war die Sparkasse der Bauern. In der Zeit des Wiederaufbaues nach dem 2. Weltkrieg war Holz sehr gefragt und erzielte | Der [[Wald]] war die Sparkasse der Bauern. In der Zeit des Wiederaufbaues nach dem 2. Weltkrieg war [[Holz]] sehr gefragt und erzielte in den sogenannten Wirtschaftswunderjahren gute Preise. Das erleichterte den Bauern die teuren Anschaffungen für landwirtschaftliche Maschinen und touristische Einrichtungen zu finanzieren. Die [[Forstwirtschaft|Wald- und Holzarbeit]] und das [[Holzfuhrwerk]] waren jedoch besonders bei den nicht seltenen Windwurfereignissen sehr gefahrvoll. Die vielen Marterl in den Nußdorfer Wäldern geben Zeugnis davon. | ||
<gallery> | <gallery> | ||
Bild:Holzknecht Neuwegstübl um 1930.jpg|Das Neuwegstübl, 1930 erbaut, auf dem Weg von Nußdorf in die Wienerroith ist heute Ausgangspunkt für Wanderungen und beherbergt manches Hüttenfest. | Bild:Holzknecht Neuwegstübl um 1930.jpg|Das Neuwegstübl, 1930 erbaut, auf dem Weg von Nußdorf in die Wienerroith ist heute Ausgangspunkt für Wanderungen und beherbergt manches Hüttenfest. | ||
Bild:Waldarbeit 1930.jpg|Waldarbeit 1930 | Bild:Waldarbeit 1930.jpg|Waldarbeit 1930 – im Sommer wurden die Bäume geschlägert und im Winter zu Tal gebracht | ||
Bild:Holzfuhr Pferdezug 1937.jpg|Holzfuhrwerk mit Pferdezug 1937 | Bild:Holzfuhr Pferdezug 1937.jpg|[[Holzfuhrwerk]] mit Pferdezug 1937 | ||
Bild:Holzfuhrwerk1938.JPG|Holzfuhrwerk 1938 | Bild:Holzfuhrwerk1938.JPG|[[Holzfuhrwerk]] 1938 | ||
Bild:Marterl 1946.jpg|Das Marterl bei der Schindelbaumstube zwischen Nußdorf und Oberwang erinnert an ein tragisches Unglück mit mehreren Todesopfern 1946 | Bild:Marterl 1946.jpg|Das Marterl bei der Schindelbaumstube zwischen Nußdorf und Oberwang erinnert an ein tragisches Unglück mit mehreren Todesopfern 1946 | ||
Bild:Scheiter Ziehen 1946.jpg|Scheiter Ziehen 1946 | Bild:Scheiter Ziehen 1946.jpg|Scheiter Ziehen 1946 | ||
Zeile 99: | Zeile 110: | ||
==Arbeitsleben der Handwerker== | ==Arbeitsleben der Handwerker== | ||
Neben den Bauernhöfen war das Handwerk, das oft gemeinsam mit kleinen Bauernsacherln betrieben wurde, ein wesentlicher Teil der Dorfgemeinschaft. Hier wurde hergestellt, was die Leute zum Leben brauchten. Die Müller, Bäcker, Schuster, Schneider, Tischler, Bau- und Zimmerleute, Lederer, Schmiede, Wagner, die Säger, Köhler, Schindelmacher und andere. Dazu gehörten auch die Kreissler im Ort die verkauften, was im Dorf selbst nicht hergestellt wurde. Im [[Tagebuch des Michl Wiesinger 1830-1895]] wird neben dem bäuerlichen auch das handwerkliche Leben in Nußdorf sehr anschaulich beschrieben. | Neben den Bauernhöfen war das Handwerk, das oft gemeinsam mit kleinen Bauernsacherln betrieben wurde, ein wesentlicher Teil der Dorfgemeinschaft. Hier wurde hergestellt, was die Leute zum Leben brauchten. Die Müller, Bäcker, Schuster, Schneider, Tischler, Bau- und Zimmerleute, Lederer, Schmiede, Wagner, die Säger, Köhler, Schindelmacher und andere. Dazu gehörten auch die Kreissler im Ort, die verkauften, was im Dorf selbst nicht hergestellt wurde. Im [[Tagebuch des Michl Wiesinger 1830 - 1895]] wird neben dem bäuerlichen auch das handwerkliche Leben in Nußdorf sehr anschaulich beschrieben. | ||
<gallery> | <gallery> | ||
Bild:Hausbau 1922.jpg|Hausbau 1922 | Bild:Hausbau 1922.jpg|Hausbau 1922 | ||
Bild:Gerberei Frank 1930.jpg|Die [[Gerberei|Gerberarbeit]], hier 1930, wird am selben Standort in Nußdorf bereits acht Jahrhunderte lang bis heute betrieben | Bild:Gerberei Frank 1930.jpg|Die [[Gerberei|Gerberarbeit]], hier 1930, wird am selben Standort in Nußdorf bereits acht Jahrhunderte lang bis heute betrieben | ||
Bild:Hufbeschlagen1936.JPG|Das Beschlagen der | Bild:Hufbeschlagen1936.JPG|Das Beschlagen der Pferdehufe beim Schmied in Nußdorf war 1936 neben der Herstellung und dem Verkauf von Eisenwaren, Werkzeug und Beschlägen eine wichtige Tätigkeit. | ||
Bild:Schneiderwerkstätte1937.JPG|Der Schneider | Bild:Schneiderwerkstätte1937.JPG|-1937- Der Schneider fertigte nicht nur das Sonntagsgewand, das man in der Regel zum Heiraten bekam und dann bis zum Sterben trug, sondern auch strapazfähige Arbeitskleidung. | ||
Bild:Schusterwerkstätte1937.JPG|In Nußdorf gab es 1937 fünf Schusterwerkstätten, die allesamt gut beschäftigt waren | Bild:Schusterwerkstätte1937.JPG|In Nußdorf gab es 1937 fünf Schusterwerkstätten, die allesamt gut beschäftigt waren | ||
Bild:Schusterwerkstätte1956.JPG|1956 war der Niedergang der | Bild:Schusterwerkstätte1956.JPG|1956 war der Niedergang der Schusterwerkstätten bereits erkennbar. In [[Seewalchen am Attersee|Seewalchen]] entstand die [[Schuhfabrik Kastinger]] und in Attersee die Schuhfabrik Oswald mit mehreren hundert Beschäftigten | ||
Bild:NiedSäge1920Schnitth.jpg| | Bild:NiedSäge1920Schnitth.jpg|-1920- die [[Niedermayrsäge]] lieferte gesägtes Holz für den regionalen Verbrauch und ins Ausland. Bei späteren Grabungsarbeiten wurden Reste einer Köhlerei gefunden. | ||
Bild:Zimmerleute Pilotieren 1950.jpg|Zimmerleute beim Stegbau am See 1950 | Bild:Zimmerleute Pilotieren 1950.jpg|Zimmerleute beim Stegbau am See 1950 | ||
Bild:Zimmerleute beim Abbund 1951.jpg|Zimmerleute beim Abbund 1951 | Bild:Zimmerleute beim Abbund 1951.jpg|Zimmerleute beim Abbund 1951 – noch ohne Motorsäge | ||
</gallery> | </gallery> | ||
==Brauchtum== | ==Brauchtum== | ||
Das Brauchtum hatte auch in Nußdorf viele Erscheinungsformen von denen im Atterwiki mit eigenen Artikeln eingegangen wird, wie [[Bräuche beim Hausbau]], [[Religiöse Feste und Brauchtum]], [[Hochzeitsbräuche im Attergau]]. | |||
Die nachstehenden Fotografien zeigen das Maibaumsetzen alljährlich am Vorabend des 1. Mai und das Rafenstehlen anlässlich des Dachstuhlsetzens beim Hausbau. Um den Dachstuhl fertig machen zu können, brauchte der Bauherr auch den letzten Sparren (Rafen). Er wurde ihm meist von den Nachbarn gestohlen und ins nächste Wirtshaus gebracht, wo ihn der Bauherr gegen „Trinkbares“ auslösen musste. | |||
<gallery> | <gallery> | ||
Bild:Maibaum1948.JPG| | Bild:Maibaum1948.JPG|Der Maibaum 1948 vor dem Niedermoarhof | ||
Bild:Maibaum1954.JPG| | Bild:MaibaumKinder1953-2.jpg|Auch die Kinder leisteten sich einen eigenen Maibaum 1953 | ||
Bild:Rafenstehlen1959.JPG|Der Brauch des Rafen (Sparren) Stehlens | Bild:Maibaum1954.JPG|Maibaumsetzen 1954 am Schmiedangerl | ||
Bild:RafenAuslösen1959.JPG| | Bild:Rafenstehlen1959.JPG|Der Brauch des Rafen (Sparren) Stehlens wird nach wie vor gepflogen, hier 1959. | ||
Bild:RafenAuslösen1959.JPG|Der Rafen muss vom Bauherrn ausgelöst werden. Mädchen, die sich erwischen lassen, werden mit dem Kittel an den Rafen genagelt. | |||
</gallery> | </gallery> | ||
Zeile 133: | Zeile 147: | ||
== Die Post - das Tor zur Welt == | == Die Post - das Tor zur Welt == | ||
Das Postamt in Nußdorf wurde 1894 eröffnet und 2010 geschlossen. In den 116 Jahren seines Bestehens haben sich fundamentale Veränderungen vollzogen. War zu Beginn das Postamt gleichsam das informative Tor zur Welt, wurde sie von den Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung im 21. Jahrhundert vom Markt verdrängt. | |||
<gallery> | <gallery> | ||
Bild:Post1936.JPG|Voll gespannter Erwartung vor dem Postamt - 1936 | Bild:Post1936.JPG|Voll gespannter Erwartung vor dem Postamt - 1936 | ||
Zeile 140: | Zeile 154: | ||
==Transport – Verkehr – Motorisierung== | ==Transport – Verkehr – Motorisierung== | ||
Wenige Errungenschaften haben das Leben der Menschen mehr verändert als die Motorisierung. Mit der Entwicklung vom Pferdefuhrwerk, zum Schiff, Motorrad, Automobil, Eisenbahn, bis zum Flugzeug wurde der erreichbare Horizont immer weiter. Nußdorfer kamen in die Welt hinaus, die Welt kam nach Nußdorf. Fremde Länder und Menschen wurden vertrauter. | |||
<gallery> | <gallery> | ||
Bild:Laufwagen 1920.JPG|Der Landauer – das Fahrzeug der Herrenbauern – 1920 | Bild:Laufwagen 1920.JPG|Der Landauer – das Fahrzeug der Herrenbauern – 1920 | ||
Zeile 150: | Zeile 164: | ||
Bild:Auto1946.JPG|Das Privatauto des Tierarztes - der schnelle Helfer in der Not - 1946 | Bild:Auto1946.JPG|Das Privatauto des Tierarztes - der schnelle Helfer in der Not - 1946 | ||
Bild:Leiterwagen m Pferd u Ochs 1936.JPG|Pferd und Ochs zogen gemeinsam Lasten und Personen. Wer von beiden die leitende Funktion hatte, das Pferd oder der Ochs, ist nicht überliefert | Bild:Leiterwagen m Pferd u Ochs 1936.JPG|Pferd und Ochs zogen gemeinsam Lasten und Personen. Wer von beiden die leitende Funktion hatte, das Pferd oder der Ochs, ist nicht überliefert | ||
Bild:Pferdefuhrwerk1950.JPG|Langsam aber sicher wurden Pferdefuhrwerke | Bild:Pferdefuhrwerk1950.JPG|Langsam aber sicher wurden Pferdefuhrwerke selten | ||
Bild:Leiterwagen 1956.JPG| Der Leiterwagen war noch 1956 nicht nur für den Güter- sondern auch für den Personentransport im Einsatz | Bild:Leiterwagen 1956.JPG| Der Leiterwagen war noch 1956 nicht nur für den Güter- sondern auch für den Personentransport im Einsatz | ||
Bild:TraktorAmerika1947.JPG|Der erste Traktor kam nach dem zweiten Weltkrieg zum Rosenauer (Hauserbichler) nach Nußdorf, ein benzingetriebener Minneapolis-Moline aus Minnesota USA. | Bild:TraktorAmerika1947.JPG|Der erste Traktor kam nach dem zweiten Weltkrieg zum Rosenauer (Hauserbichler) nach Nußdorf, ein benzingetriebener Minneapolis-Moline aus Minnesota USA. | ||
Bild:TraktorMorizenbauer1955.JPG|1955 hatten die meisten Bauern bereits Traktoren | Bild:TraktorMorizenbauer1955.JPG|1955 hatten die meisten Bauern bereits Traktoren | ||
Bild:Traktor1956.JPG| | Bild:Unimog1955-2.jpg|Beim Getreidemähen mit dem Ablegermähwerk, welches das Getreide garbenweise ablegen konnte, durften die Kinder den Unimog steuern – beim Niedermoar 1955 | ||
Bild:Traktor1956.JPG|Kinder waren von der neuen Technik besonders fasziniert - 1956 | |||
</gallery> | </gallery> | ||
Version vom 1. Dezember 2010, 16:33 Uhr
Nußdorfer Dorfleben 1860 – 1960
Einleitung
Nussdorf am Attersee war bis ins 20. Jahrhundert vom bäuerlichen Alltag geprägt. Die Beschaffung der fundamentalen Lebensgrundlagen nahm den größten Teil der Zeit und der Arbeitskraft in Anspruch. Die zum bescheidenen Leben nötigen Dinge wurden weitgehend im Ort selbst hergestellt. Die gegenseitige Abhängigkeit bewirkte einen gesellschaftlichen Zusammenhalt, der in Nachbarschaftshilfe, sowie in Brauchtum und Festen seinen Ausdruck fand.
Mit dem Beginn des Fremdenverkehrs im 19. Jahrhundert kam die Bevölkerung schon früh mit bis dahin Unbekanntem in Berührung und reagierte sehr aufgeschlossen. Im Tagebuch des Michl Wiesinger 1830 - 1895 steht vermerkt: „Welt Ausstellung in Wien war ich und der Gruber, Resch, Domibauer, Winterleittner in der Fronleichnams Wochen 1873“. Überregionaler Handel mit Produkten aus dem Dorf gehörte zur Normalität. Sägeholz wurde bis Wien und Budapest geflöst. Die Ursprünge einer heute noch bestehenden Gerberei am Nussdorfer Bach geht vermutlich bis ins 13. Jahrhundert zurück.
Bereits vor 1900 mieteten sich während der Sommermonate erholungssuchende „Sommerfrischler“ in die Bauernhäuser ein. Überwiegend gutsituierte Wiener Familien kamen mitsamt ihrem Bedienungspersonal nach Nussdorf. Darunter namhafte Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Wirtschaft. Auf landwirtschaftlich minderwertig angesehenen Seeufergrundstücken wurden die ersten Ferienhäuser errichtet. Der kaiserliche Diplomat Eugen Freiherr von Ransonnet-Villez (* 1838 Wien, † 1926 Nußdorf am Attersee) war ein Pionier des örtlichen Fremdenverkehrs. Er war der Gründer des Union Yachtclub Attersee, des ältesten Segelclubs Österreichs, und Initiator zahlreicher Tourismuseinrichtungen. Der Ransonnet-Themenweg vermittelt einen Eindruck seines Wirkens.
Walter Großpointner, der mit seiner Frau Elisabeth das Gasthaus „Dorfstube“ in Nußdorf am Attersee betrieb, sammelte über Jahrzehnte alte Ansichten Fotografien und Texte aus Nussdorf und Umgebung. Sie erlauben einen Einblick in das dörfliche Leben in der Zeit von etwa 1860 bis 1960. Die Fotografien sind nach Themen und nach dem Alter geordnet und erläutert. So werden bei einigen Aufnahmen auch die Veränderungen im Lauf der Zeit deutlich.
Die Ansichten der Nußdorfer Häuser 1860 – 1960 und ihre Veränderungen sind in einem eigenen Artikel behandelt.
Die Dorfgemeinschaft
Die Nußdorfer „Herrenbauern“ schafften in die Früh die Arbeit an und gingen dann zum Bürgertag ins Wirtshaus, zum Bräu oder zum Fleischhacker. Das mag wohl im 19. Jahrhundert so gewesen sein. Insbesondere nach 1945 hat sich die Lage stark und schnell verändert. Die wenigen Dienstboten, die vom Krieg heimkamen orientierten sich neu und suchten ein besseres Leben als Arbeiter in den Industriebetrieben der Umgebung. Durch die Hochkonjunktur wurde die Arbeitskraft für Tätigkeiten in der Landwirtschaft nicht mehr leistbar. Der einzige Ausweg war die Anschaffung technischer Hilfsmittel und ein extrem hoher Arbeitseinsatz der Bauernfamilie. Der gute Holzpreis erleichterte die Finanzierung der kostspieligen Investitionen. Mit dem aufblühenden Tourismus, der in den 1970er Jahren seinen Höhepunkt erreichte, entstanden auf einigen Wiesen und Feldern am Seeufer große Campingplätze. Fremdenzimmer und Ferienwohnungen kamen in fast jedes, dafür geeigneten Haus. Heute, im Jahr 2010, gibt es kaum mehr bewirtschaftete Bauerhöfe im Dorfgebiet von Nußdorf. Viele Gründe sind verpachtet oder wurden als Bauland für Ferienhäuser verkauft. Ein Golfplatz ist zwischen Nußdorf und Attersee entstanden. Die Besitzer der stattlichen Höfe verdienen sich ihren Lebensunterhalt anderwärtig. Trotzdem ist ein gewisser gesellschaftlicher Zusammenhalt geblieben, wie die aktiven Vereine und die gemeinsamen Feste und Veranstaltungen zeigen.
Im Ledererhaus wird über acht Jahrhunderte bis heute Gerbergeschichte geschrieben
Bäuerliches Arbeitsleben
Im und ums Haus
An jedem der Nußdorfer Bauernhöfe waren mehrere Dienstboten, Mägde und Knechte beschäftigt. Alljährlich zu Lichtmess mussten sie vom Bauern „angehalten“, also zum Weiterverbleib im nächsten Jahr aufgefordert werden. Wurde ein Dienstbote an diesem Tag nicht angehalten, hatte er ohne weitere Aufforderung den Hof zu verlassen. Der Hausknecht oder „Hausl“ bei den Knechten und das „Hausmensch“ bei den Mägden teilten die Arbeit ein. Sie waren sozusagen die Vorarbeiter bzw. Vorarbeiterinnen. Im Haus war viel zu tun. Die Stallarbeit und die Hausarbeiten mussten verrichtet und das Vieh versorgt werden. Werkzeuge wurde großteils am Hof instand gehalten. Es wurde Vieh geschlachtet, das Fleisch aufgearbeitet, geselcht und konserviert, es gab weder Gefriertruhe noch Kühlschrank. Auf die Schlachtzeit freuten sich alle im Haus. Innereien, Blunzn (Blutwurst) und andere wenig haltbare Fleischteile wurden zu frischen, ausgiebigen, köstlichen Mahlzeiten verkocht.
Die Milch wurde mit der „Milchmaschine“ in Magermilch und Rahm geschleudert, zu Butter verarbeitet und die Magermilch an die Kälber verfüttert. Jeder Bauernhof hatte einige Milchkundschaften aus der Nachbarschaft, die täglich abends mit der „Milchpitschn“ die Milch holten. Die Hühnereier wurden in eine Kalkbrühe eingelegt um die schwachen Legezeiten zu überbrücken.
Auch das Brot wurde auf den Höfen gebacken. Obst und andere Früchte eingeweckt, zu Most gepresst oder zu Schnaps gebrannt. Kraut wurde gehobelt und zu Sauerkraut eingemacht. Aus den Bauerngärten kamen nicht nur die verschiedensten Gemüse und Gewürze, sondern nicht selten auch Heilkräuter und die schönsten Blumen.
Neben der Land- und Forstwirtschaft mussten die Bauern noch die Molkerei, Metzgerei, Bäckerei, Obstbau, Gartenbau, Destillerie, Instandhaltung aller möglichen technischen Hilfsmittel und die Tierhaltung oft bis zum Tierarzt beherrschen. Dazu musste ein Bauer auch noch ein ausgezeichneter Kaufmann und Menschenkenner sein, sich rechtlich gut auskennen und alle seine Grundstücksgrenzen genau im Auge behalten. Um einen Bauernhof erfolgreich zu bewirtschaften, war ein enorm umfangreiches und vielschichtiges Fachwissen erforderlich. Ein komplexer, biologischer Mikrokosmos, der sich überwiegend selbst erhalten konnte. In mancher Hinsicht vielleicht ein Vorbild für die Zukunft.
Die Niedermoarleute Georg und Johanna Hemetsberger mit einem Sommergast auf der allseits geliebten Hausbank
Auf den Wiesen
Ein üblicher Bauernhof in Nußdorf hatte etwa 20 Stück Rindvieh und 10 Schweine zu versorgen, die von Fühjahr bis Herbst mit Gras und im Winter mit Heu gefüttert wurden. Um das Heu im Frühsommer und das Grummet (Groamat) im Spätsommer als Wintervorrat auf den Heuboden zu bringen war viel Arbeit erforderlich.
Auf den Feldern
Bei der Getreideernte, dem Droadmahn, war die Arbeit meist so verteilt, dass die Männer mit der Sense das Korn mähten, die Frauen banden die Garben zusammen und die Kinder mussten beim Kornmandl aufstellen die Garben aufrecht halten. Nach einigen Wochen und schönem Wetter wurden die Getreidegarben heim auf den Troadboden gebracht, wo sie bis zum Dreschen lagerten. Auf die leeren Felder wurde Jauche (geadelt) und Mist (mistgfiad) gebracht, der Mist ausgebreitet (mistbroat), gepflügt (umgfahrn) und geeggt (brott). Im nächsten Frühjahr war wieder Zeit zum sähen. Neben Weizen, Roggen (Korn), Hafer, Gerste wurden auch Kartoffen (Erdäpfel), Kraut und Futterrüben (Runkeln) angebaut. Für die Schulkinder rochen die umgefahrenen Felder nach Schulanfang.
Dreschen
Die Druschtage im Herbst waren eine Herausforderung für jeden Hof. Das Dreschen war nicht nur eine sehr staubige, sondern auch eine lustige Arbeit, bei der alle im Dorf zusammen halfen. Die jungen Mädchen waren stets Ziel von Späßen der Burschen. Alle Leute wurden verköstigt und am Abend wurde in der Stube musiziert, getanzt und gespielt. Der „Maschintanz“ wurde zur Tradition.
Wald- und Holzarbeit
Der Wald war die Sparkasse der Bauern. In der Zeit des Wiederaufbaues nach dem 2. Weltkrieg war Holz sehr gefragt und erzielte in den sogenannten Wirtschaftswunderjahren gute Preise. Das erleichterte den Bauern die teuren Anschaffungen für landwirtschaftliche Maschinen und touristische Einrichtungen zu finanzieren. Die Wald- und Holzarbeit und das Holzfuhrwerk waren jedoch besonders bei den nicht seltenen Windwurfereignissen sehr gefahrvoll. Die vielen Marterl in den Nußdorfer Wäldern geben Zeugnis davon.
Holzfuhrwerk mit Pferdezug 1937
Holzfuhrwerk 1938
Der Hörnerschlitten diente 1949 zum Abtransport von Brennholzscheitern und Schleifholz für die Papierfabriken über die steilen Hohlwege zum Attersee
Die Lohrinde war 1949 noch ein wichtiger Rohstoff für die Lederherstellung und wurde in großen Mengen aus dem Wald gebracht
Arbeitsleben der Handwerker
Neben den Bauernhöfen war das Handwerk, das oft gemeinsam mit kleinen Bauernsacherln betrieben wurde, ein wesentlicher Teil der Dorfgemeinschaft. Hier wurde hergestellt, was die Leute zum Leben brauchten. Die Müller, Bäcker, Schuster, Schneider, Tischler, Bau- und Zimmerleute, Lederer, Schmiede, Wagner, die Säger, Köhler, Schindelmacher und andere. Dazu gehörten auch die Kreissler im Ort, die verkauften, was im Dorf selbst nicht hergestellt wurde. Im Tagebuch des Michl Wiesinger 1830 - 1895 wird neben dem bäuerlichen auch das handwerkliche Leben in Nußdorf sehr anschaulich beschrieben.
Die Gerberarbeit, hier 1930, wird am selben Standort in Nußdorf bereits acht Jahrhunderte lang bis heute betrieben
1956 war der Niedergang der Schusterwerkstätten bereits erkennbar. In Seewalchen entstand die Schuhfabrik Kastinger und in Attersee die Schuhfabrik Oswald mit mehreren hundert Beschäftigten
-1920- die Niedermayrsäge lieferte gesägtes Holz für den regionalen Verbrauch und ins Ausland. Bei späteren Grabungsarbeiten wurden Reste einer Köhlerei gefunden.
Brauchtum
Das Brauchtum hatte auch in Nußdorf viele Erscheinungsformen von denen im Atterwiki mit eigenen Artikeln eingegangen wird, wie Bräuche beim Hausbau, Religiöse Feste und Brauchtum, Hochzeitsbräuche im Attergau.
Die nachstehenden Fotografien zeigen das Maibaumsetzen alljährlich am Vorabend des 1. Mai und das Rafenstehlen anlässlich des Dachstuhlsetzens beim Hausbau. Um den Dachstuhl fertig machen zu können, brauchte der Bauherr auch den letzten Sparren (Rafen). Er wurde ihm meist von den Nachbarn gestohlen und ins nächste Wirtshaus gebracht, wo ihn der Bauherr gegen „Trinkbares“ auslösen musste.
Öffentliche Bauprojekte
In der Gemeinde Nußdorf wurden einige Bauvorhaben mit Hilfe einheimischer Arbeitskräfte verwirklicht, von denen Fotografien erhalten geblieben sind. Der Ausbau des Nesselbaches bzw. Nußdorfer Baches 1927, der durch den Ort fließt und häufige Überschwemmungen verursachte. Der Bau der Reichsautobahn, die ursprünglich über die Westseite des Attersees geplant war. Und der Bau der öffentlichen Wasserversorgung.
Die Post - das Tor zur Welt
Das Postamt in Nußdorf wurde 1894 eröffnet und 2010 geschlossen. In den 116 Jahren seines Bestehens haben sich fundamentale Veränderungen vollzogen. War zu Beginn das Postamt gleichsam das informative Tor zur Welt, wurde sie von den Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung im 21. Jahrhundert vom Markt verdrängt.
Transport – Verkehr – Motorisierung
Wenige Errungenschaften haben das Leben der Menschen mehr verändert als die Motorisierung. Mit der Entwicklung vom Pferdefuhrwerk, zum Schiff, Motorrad, Automobil, Eisenbahn, bis zum Flugzeug wurde der erreichbare Horizont immer weiter. Nußdorfer kamen in die Welt hinaus, die Welt kam nach Nußdorf. Fremde Länder und Menschen wurden vertrauter.
Quellen
- Walter Großpointner, Nußdorf - Heimatgeschichtliche Sammlung