Bauernarbeit: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 14. Dezember 2023, 17:27 Uhr
Das Leben auf den Bauernhöfen im Attergau im 19. Und 20. Jahrhundert
Zu den Bauernhöfen im Attergau gehört gewöhnlich ein Grundbesitz in der Größe von etwa 50 Joch bzw. 30 Hektar (1 Joch = 0,575 ha). Davon sind etwa eine Hälfte Wiesen und Felder und eine Hälfte Wald. Im Einzelnen können jedoch diese Maße stark variieren. Der oberösterreichische Durchschnitt liegt bei 18,6 Hektar Grundbesitz pro Bauernhof.
Bauernhöfe waren im Attergau, wie auch anderswo, überaus komplexe wirtschaftliche Einheiten in denen möglichst alle nötigen Lebensmittel hergestellt werden konnten. Diese Fähigkeit zur weitgehend autarken Versorgung erforderte umfangreiche Kompetenzen in den unterschiedlichsten Professionen. Neben der speziellen Land- und Forstwirtschaft musste die Bauernfamilie auch noch die Milchverarbeitung, Metzgerei, Bäckerei, Obstbau, Gartenbau, Die bäuerliche Schnapsbrennerei, Der Most, das Obstdörren und alle möglichen Formen der Haltbarmachung von Lebensmitteln beherrschen und den oft zu teuren Tierarzt ersetzen. Krankheiten wurden vorwiegend mit selbst hergestellten Hausmitteln behandelt.
Darüber hinaus musste der Bauer auch noch ein guter Kaufmann und Menschenkenner sein, sich in Grundbuchs- und Rechtsfragen auskennen und seine Grundstücksgrenzen genau im Auge behalten. Die Herstellung und Instandhaltung vieler technischer Hilfsmittel erforderte Geschicklichkeit und Einfallsreichtum. Um einen Bauernhof erfolgreich bewirtschaften zu können, war ein enorm umfangreiches Fachwissen, ein vielschichtiges Verständnis und permanente Übung erforderlich. Diese Fähigkeiten wurden von Generation zu Generation weitergegeben und von Kind auf praktiziert. Ein Bauernhof bildete einen komplexen, biologisch verträglichen Kreislauf, der sich über Jahrhunderte hinweg erhalten konnte ohne der Umwelt zu schaden.
Regelmäßig kamen auch Handwerker auf die Ster (Stör). Der Sattler reparierte das Rosszeug, der Fassbinder richtete die Fässer für den frischen Most, der Glaserer zerbrochene Fensterscheiben. Hin und wieder zogen Scherenschleifer, Häfenflicker und reisende Kaufleute durch. Legendär war der Kurz Adi, der in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg seinen kleinen Leiterwagen hinter sich her zog und allerhand Krimskrams, vom Nähzeug, über Süßigkeiten bis zum Zündholz verkaufte. Er konnte fürchterlich fluchen, wenn sich Kinder mit ihm Späße erlaubten.
Im und ums Haus
Es waren in der Regel mehrere Dienstboten, Mägde und Knechte beschäftigt. Alljährlich zu Lichtmess, den 2. Februar, mussten sie vom Bauern „angehalten“, also zum Weiterverbleib im nächsten Jahr aufgefordert werden. Wurde ein Dienstbote an diesem Tag nicht angehalten, hatte er ohne weitere Aufforderung den Hof zu verlassen. Der Hausknecht oder „Hausl“ bei den Knechten und das "Hausmensch" bei den Mägden teilten die Arbeit ein. Sie waren die Vorarbeiter bzw. Vorarbeiterinnen. Die zahllosen Stall- und Hausarbeiten mussten verrichtet und das Vieh versorgt werden. Gerätschaften und Werkzeug wurden oft am Hof instand gehalten.
Regelmäßig wurden Schweine am Hof geschlachtet, das Fleisch aufgearbeitet, geselcht und konserviert, es gab weder Gefriertruhe noch Kühlschrank. Auf die Schlachtzeit freuten sich alle im Haus. Innereien, Blunzn (Blutwurst) und andere wenig haltbare Fleischteile wurden zu köstlichen Mahlzeiten verkocht. Aus überschüssigem Schweinsfett wurde mit Soda und Aschenlauge in flachen Pfannen Seife gesotten und dann in handliche Stücke geschnitten.
Wäsche wurde in großen Wasserhäfen gekocht, eingeseift, auf der Waschrumpel oder einem Holztisch mit einer Reisbürste geschruppt und dann am Brunnentrog mit kaltem Wasser durchgespült. Im Artikel Waschtag wird diese Arbeit näher beschrieben. Die Holzböden wurden meist am Samstagvormittag kniend mit Aschenlauge gebürstet und aufgewischt.
Die Milch wurde mit der "Milchmaschine" in Magermilch und Rahm geschleudert, zu Butter verarbeitet und die Magermilch an die Kälber verfüttert. Milchkundschaften aus der Nachbarschaft, holen sich regelmäßig ihre Milch mit der „Milchpitschn“. Überzählige Hühnereier wurden in eine Kalkbrühe eingelegt um die Zeiten zu überbrücken, in denen die Hühner keine Eier in ihre Nester legten.
Etwa alle zwei Wochen wurde Brot gebacken. Frisches Brot kam selten auf den Tisch um den Appetit in Grenzen zu halten. Die "Aschenzelten", kleine Schwarzbrotfladen, die im auskühlenden Backofen halb durchgebacken und mit Butter und Salz gegessen wurden, waren ein Geschmackserlebnis. Obst und andere Früchte wurden in Gläsern konserviert (eingerext), zu Most gepresst, zu Schnaps gebrannt. Birnen und Zwetschken wurden im "Dörrhäusl" zu "Kletzen" und "Dierde Zwetschken" gedörrt. Kraut wurde gehobelt und zu Sauerkraut eingemacht. Aus den Bauerngärten kamen nicht nur die verschiedensten Gemüse und Gewürze, sondern nicht selten auch Heilkräuter und Blumen.
Der Arbeitstag begann um fünf Uhr früh, im Sommer manchmal schon früher, und endete mit der Stallarbeit um etwa sieben Uhr abends. Auf die Einhaltung der Mahlzeiten wurde großer Wert gelegt. Hat die Bäurin vergessen die Jause zur Waldarbeit mitzugeben, so wurde erzählt, sind die Dienstboten zwar ohne Jause fort gegangen, haben aber auf dem Weg gleich wieder umgedreht um zur Jausenzeit wieder daheim zu sein. Die ohnehin bescheidenen Gewohnheitsrechte sollten verständlicherweise nicht auch noch geschmälert werden.
Um sieben Uhr früh gab es die sogenannte „Saure Suppen“ – eine Milchsuppe mit Brotschnitzeln, etwas Rahm und Kümmel. Um neun Uhr die sogenannte „Neinern“, mit geselchtem Fleisch, Brot, Butter, Bratlfett und Ähnlichem. Zum Mittagessen um elf Uhr wurde ausgiebiger gekocht. Abhängig von der Jahreszeit verschiedene Fleischspeisen, manchmal auch Mehlspeisen. Vielfalt und Qualität war von Haus zu Haus unterschiedlich, wobei sich die Kunst der Köchin schnell herumsprach. Um drei Uhr war die „Jausen“ angesagt, die mit der „Neinern“ vergleichbar war und abends zwischen fünf und sieben Uhr wurde wieder „gesüppelt“ wie in der Früh. Zum Trinken gab es meistens Most oder Milch, später auch Kakao und Feigenkaffee, meistens zu Rohrnudeln (Wuchteln) dazu.
Jeder hatte seinen festen Platz am Tisch und sein eigenes Besteck. Messer, Gabel und Löffel wurden nicht gewaschen, sondern nur abgewischt und in eine Lederschlinge unter dem Tisch gesteckt. Vom mittäglichen Tischgebet blieb infolge der zahllosen Wiederholungen nur mehr ein unverständliches Gemurmel. Erst nach dem abschließenden „Vatersohnesheilingeistesamen“, während der Daumen zum Zeichen der Bekreuzigung eine Schlangenlinie von der Stirn über Nase und Kinn bis zur Brust beschrieb, durfte mit dem Essen begonnen werden.
Auf den Wiesen
Ein üblicher Bauernhof im Attergau hatte etwa zwanzig Stück Rindvieh, zwei Pferde und zehn Schweine zu versorgen, die von Frühjahr bis Herbst mit Gras und im Winter mit Heu und Grummet gefüttert wurden. Die Pferde bekamen noch Haferschrot dazu und die Schweine gedämpfte Erdäpfel und Küchenabfälle, Schrot und warmem Wasser, dem sogenannten „Sautraung“. Zeitweise wurden zerschnitzelte Futterrüben (Runkel) dazu gemischt. Um das Heu im Frühsommer und das Grummet (Groamat) im Spätsommer als Wintervorrat auf den Heuboden zu bringen war mühsame Handarbeit erforderlich. Später erleichterten diese Schwerarbeit mechanische Greiferaufzüge und Heugebläse.
Um im Herbst nach der Ernte des Grummets vor dem Wintereinbruch das letzte Gras zu nützen, das noch auf den Wiesen wuchs, wurden die Kühe auf die Weiden getrieben. Stiere und zu lebhaftes Jungvieh mussten daheim im Stall bleiben. Geleitet von den Stalldienstboten trotteten die Kühe im Gänsemarsch durch das Dorf auf die Wiesen hinaus und am Abend zum Melken wieder heim. Elektrische oder sonstige Zäune gab es nicht und so musste das Vieh gehütet werden damit es auf den eigenen Wiesen blieb und sich nicht mit den Tieren der anderen Bauern vermischte. Das war bevorzugte Aufgabe der Kinder nach der Schule. Sie konnten leichtfüßig jedem Tier nachlaufen und es mit einem dünnen Haselnussstock wieder zur Ordnung bringen. Diese „Kinderarbeit“ war begehrter als in der Schule zu sitzen. Es wurden Lagerfeuer gemacht, Kartoffel gebraten, Indianer gespielt und allerlei Späße getrieben. Wer je dabei war, denkt mit Wehmut an diese Zeit zurück.
Im Kriegsjahr 1940 wurde jede Hand dringend gebraucht
Auf den Feldern
Bei der Getreideernte, dem Droadmahn, war die Arbeit meist so verteilt, dass die Männer mit der Sense das Korn mähten, die Frauen banden die Garben zusammen und die Kinder mussten beim Kornmandl aufstellen die Garben aufrecht halten. Nach einigen Wochen und schönem Wetter wurden die Getreidegarben heim auf den Troadboden gebracht, wo sie bis zum Dreschen lagerten. Auf die abgeernteten Felder wurde Jauche und Mist ausgebracht (geadelt und mistgfiad), der Mist ausgebreitet (mistbroat), gepflügt (umgfahrn) und geeggt (brott). Im nächsten Frühjahr war wieder Zeit zum sähen. Neben Weizen, Roggen (Korn), Hafer, Gerste wurden auch Kartoffeln (Erdäpfel), Kraut und Futterrüben (Runkeln) angebaut. Für die Schulkinder rochen die umgefahrenen Felder nach Schulanfang.
Im Niedermayrhof wird der Unimog 1959 in Eigenregie komplett zerlegt, repariert und wieder zusammengebaut
Dreschen
Die Druschtage im Herbst waren eine Herausforderung für jeden Hof. Das Dreschen war nicht nur eine sehr staubige, sondern auch eine lustige Arbeit, bei der alle im Dorf zusammenhalfen. Der Antrieb der großen Dreschmaschine erfolgte mit einer Dampfmaschine über einen langen Lederriemen. Die Maschinen wurden mit Pferden von Hof zu Hof gezogen. Die jungen Mädchen waren stets Ziel von Späßen der Burschen. Alle Leute wurden verköstigt und am Abend wurde in der Stube musiziert, getanzt und gespielt. Der „Maschintanz“ war ein Fest für alle Beteiligten.
Wald- und Holzarbeit
Der Wald war die Sparkasse der Bauern. In der Zeit des Wiederaufbaues nach dem 2. Weltkrieg war Holz sehr gefragt und erzielte in den sogenannten Wirtschaftswunderjahren gute Preise. Das erleichterte den Bauern die teuren Anschaffungen für landwirtschaftliche Maschinen und die Finanzierung touristischer Einrichtungen. Die Wald- und Holzarbeit und das Holzfuhrwerk waren besonders bei Windwurfereignissen sehr gefahrvoll. Die Holzknechtmarterl für verunglückte Waldarbeiter in den Attergauer Wäldern geben Zeugnis davon. Die wiedererrichtete Schindelbaumstube, eine alte Holzknecht Sölln in der früher die Forstarbeiter kochten und übernachteten, ist zu einem lohnenden Wanderziel zwischen Nußdorf und Oberwang geworden.
Holzfuhrwerk mit Pferdezug 1937
Holzfuhrwerk 1938
Bei der Schindelbaumstube zwischen Nußdorf und Oberwang errichten Arbeitskollegen ein Holzknechtmarterl
Der Hornschlitten diente 1949 zum Abtransport von Brennholzscheitern und Schleifholz für die Papierfabriken über die steilen Hohlwege zum Attersee
Die Lohrinde war 1949 noch ein wichtiger Rohstoff für die Lederherstellung und wurde in großen Mengen aus dem Wald gebracht
Quellen
- Walter Großpointner, Nußdorf - Heimatgeschichtliche Sammlung
- Sammlung Aichinger, Nußdorf
- Manfred Hemetsberger, Nußdorf