Forstwirtschaft
Die Nutzung der Attergauer Wälder reicht bis zu den ersten Steinzeitsiedlern zurück. Von Forstwirtschaft kann man erst ab der Errichtung der Sudkessel zur Salzversiedung (Pfannhaus) in Ebensee im Jahre 1607 sprechen. Ab dieser Zeit wurden die Holzreserven des Attergaus, insbesondere der "Kaiserwald", heute Österreichische Bundesforste, zur intensiven Nutzung gebraucht.
Geschichte
Als sich die Gletscher der letzten Eiszeit zurückzogen und die Berg- und Seenlandschaft des Attergaues freigaben, breitete sich allmählich eine Vegetation mit dichter Bewaldung aus. Schon zur Jungsteinzeit (Neolithikum 5000-1800 v. Chr.) diente Holz nicht nur als Brennstoff und Hilfsmaterial für Werkzeuge sondern auch als Baustoff für Ansiedlungen am Attersee. Zeugnis davon geben die Feuchtbodensiedlungen[1] bzw. Pfahlbauten, von denen die ersten im August 1870 am nördlichen Ende des Sees entdeckt wurden. Sie stammen aus der Zeit von 4000 bis 1000 vor unserer Zeitrechnung.
Die Nutzung der Wälder hat sich im Lauf der Geschichte stark verändert, ist aber bis heute eine wichtige Einkommensquelle geblieben. Die urspüngliche Naturverjüngung durch Samenanflug der vorhandenen Baumarten wurde bereits sehr früh künstlich beeinflußt. Als Brenn- und Bauholz war die Fichte sehr begehrt und wurde in Baumschulen gezogen und gezielt angepflanzt. Vereinzelt wurde auch mit Holzarten aus Übersee experimentiert. So steht im Tagebuch des Michl Wiesinger 1830 - 1895 vermerkt: Den 10 Mai 1891: Ein Amerikanisches Bäumchen genannt Douglas Tanne in Lexenblaim bei den Bergbäumen gesetzt. Dieses Bäumchen sieht der gewöhnlichen Tanne sehr ähnlich.
Das reichlich vorhandene und nachwachsende Naturprodukt Holz übte im Lauf der Geschichte einen sehr unterschiedlichen Einfluss auf das Leben der Menschen im Attergau aus. Die Veränderungen im Lauf der Jahrtausende betreffen sowohl den Wald als auch die Holznutzung. Urwaldbereiche ohne menschliche Einflussnahme, wie sie im niederösterreichischen Ötschergebiet erhalten geblieben sind, gibt es im Atterseeraum schon lange nicht mehr.
Die Wälder im Attergau, ursprünglich Allmende, also für jedermann frei nutzbar, wurden insbesondere mit dem Bau der 40 Kilometer langen Soleleitung von Hallstatt nach Ebensee und der Errichtung des Pfannhauses 1605-1607 als Brennholzlieferant für die Salzversiedung interessant. Kaiser und Grundherrschaft sicherten sich ausschließliche Besitzrechte. Bauern erhielten Nutzungsrechte (ÖBF-Einforstungsrechte), die später überwiegend mit Waldeigentum abgelöst wurden.
Die beiden Abbildungen aus dem Technischen Museum in Wien vergleichen den Waldbestand in Mitteleuropa um 900 und nach einem Jahrtausend um 1900. Die Rodungen während der Siedlungstätigkeit im Mittelalter und der hohe Holzverbrauch durch die spätere Industriealisierung führten zu einer erheblichen Verringerung der Waldflächen.
Holztransport
Eine wesentliche Rolle für die Nutzung des Holzes spielten die verschiedenen Formen des Holztransportes zu Land und zu Wasser, die in den Artikeln Holzfuhrwerk und Flößer ausführlich beschrieben sind.
Holzverkauf und Handel
In den Jahren 1862 bis 1885 betrieb Michael Wiesinger, Bauer am Kollerhof in Nußdorf am Attersee einen regen Handel mit Holz aus den Nußdorfer Wäldern. Die Notizen in seinem Tagebuch erlauben eine Vorstellung von den Handelsgewohnheiten dieser Zeit und wie Kauf und Verkauf der Baumstämme und Bloche aus den Wäldern des Attergaues an die Holzverarbeitungsbetriebe bewerkstelligt wurde.
Beispielhaft einige Eintragungen und deren Erklärung:
Ihn der Mathbauerleiten mit sammen Parti Lizedirt 795f wo ich 160f erlegt habe
- In der Mathbauernleiten (Kaiserwald/Bundesforste) habe ich eine Partie Bloche zum Preis von 795 Gulden ersteigert, davon habe ich 160 Gulden gleich bezahlt.
Den Hiselbauer 40 18 Schuhlange bloch abgekauft a St 1f 40f 40kr Leikaf
- Dem Hiaselbauern 40 Stück Bloche mit einer Länge von 18 Schuh (ca. 6 Meter) abgekauft zum Stückpreis von 1 Gulden macht 40 Gulden. 40 Kreuzer für Leihkauf = vermutlich Bezahlung erst nach dem der Händler das Geld dafür bekommt.
Den Johan Nußdorfer heißl 100 Boch Abgekauft / Das Bloch zu 13 zahl in durch schnit. Kostet 2f 60kr / 4 lange Holz gingen drein, und 12 Floßstangen
- Dem Johann Nußdorfer vlgo Heißl 100 Stück Bloch abgekauft. Jedes Bloch zu 13 Zoll (ca. 30 cm Durchmesser) Durchschnittspreis 2 Gulden 60 Kreuzer pro Stück. 4 Lange Bloche und 12 Floßstangen sind kostenlos dabei.
Zu Lichtenbuch eine Parti Litzetirt 92 Bloch dabei 54 zu 18 lang kostet gleich bezaht 198f Und eine Stehatparti in der Mathbauernleiten um 328f 164f / 749f
- In Lichtenbuch (vermutlich Kaiserwald/Bundesforste) eine Partie mit 92 Stück Bloche ersteigert, davon waren 54 Stück 18 Schuh (ca. 6 Meter) lang. Sie hat 198 Gulden gekostet und ich habe sie gleich bezahlt. Und eine Partie habe ich im stehenden Zustand (muss vom Käufer selbst geschlägert werden) in der Mahdbauernleiten (Kaiserwald/Bundesforste) um 328 Gulden, 164 Gulden und 740 Gulden gekauft.
Zusammenfassend dürfte das Holz vom Kaiserwald an den Bestbieter versteigert worden sein, zum Teil als Blochholz und zum Teil als stehende Bäume. Mit den privaten Waldbesitzern wurde der Holzpreis ausgehandelt und vornehmlich erst bezahlt, wenn der Händler das Geld bekommen hat.
Als Holzabnehmer von Michael Wiesinger scheint fast ausschließlich ein gewisser Kapeller auf.
Von Kapeller laut Schuldschein p 3765f / Und mit Perzent von 1 Jäner 1885 3820f / Das Haus wurde Verlicetirt (versteigert) um 22250f Fahrnissen / Um 8000f Ankauft Raudaschl / Ihm Juni 1885 habe das Häusl an Bergverkauft 2100f
Diese Eintragung von 1885, legt die Vermutung nahe, dass der Kapeller zahlungsunfähig wurde und es sich beim Käufer um die „Raudaschlmühle“ in Schörfling gehandelt hat. Nach dieser Eintragung finden sich keine Hinweise auf einen Holzhandel mehr im Tagebuch. Eine rege Bautätigkeit und Grundstückskäufe lassen darauf schließen, dass Michael Wiesinger mit dem Handel ein gutes Einkommen erzielen konnte.
Ein im Attergau bekannter Holzhändler war auch Franz Salfinger aus Gaspoltshofen. Er belieferte holländische Schiffswerften und die Donau-Dampfschifffahrtsgesellschaft sowohl mit ungewöhnlich langen Baumstämmen als auch mit gesägtem Holz aus den eigenen Sägewerken in St. Georgen im Attergau (am Lokalbahnhof), in Bachmanning und in Mauthausen. Diese Geschäftsverbindung hatte länger als 100 Jahre Bestand.
Die Wälder rund um den Attersee waren bekannt für den Reichtum an besonders großen und hohen Fichten- und Tannenbäumen. In den drei Revieren der Bundesforste in Nußdorf, Weyregg und Steinbach gab es Waldstandorte auf denen mehr als 1.200 Festmeter Holz pro Hektar stand. Üblicherweise stehen etwa 450 Festmeter pro Hektar.
Das Schiffbauholz musste 30 Meter lang sein und am kleinen Ende, dem Zopf, noch mindestens 44 cm Durchmesser aufweisen. Solche Bäume hatten oft eine Gesamtlänge von mehr als 50 Metern und am Stamm einen Durchmesser von über einem Meter.
Viel langes und großes Holz aus dem Attergau wurde in der Monarchie nach Wien und Budapest und später für holländische Schiffswerften und italienische Kirchenbauten gebraucht. Das war auch eine besondere Herausforderung für den Holztransport, der im Artikel Holzfuhrwerk beschrieben wird.
Überwiegend zur Brennholzversorgung der Stadt Linz diente die Waldbahn von Thalham in das Waldgebiet am Saurüssel. Sie wurde in den 1920er Jahren auf Initiative der O.Ö. Landesregierung gebaut und ist im Artikel Waldbahn Thalham ausführlich beschrieben.
Heute werden die Kaufverträge zwischen den großen Waldbesitzern und den Abnehmern vorwiegend direkt geschlossen. Kleinere Waldbesitzer verkaufen ihr Holz auch über den Waldbesitzerverband oder Händler. Der Kaufabschluß gilt in der Regel frei LKW-befahrbarer Waldstraße und wird in automatischen und geeichten Vermessungseinrichtungen beim Abnehmer - vorwiegend Sägewerke - vermessen und verrechnet.
Einkommensquelle
Veränderten sich Waldstruktur und Nutzungsformen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts nur langsam, so ging die Entwicklung in der Folge um so rascher voran. Mit dem hohen Holzbedarf für den Wiederaufbau der im zweiten Weltkrieg zerstörten Städte ab 1945 begann eine Industriealisierungswelle mit nachhaltigen Auswirkungen. Die holzverarbeitenden Betriebe, wie Sägewerke, Möbelfabriken, Tischlereien, Zimmereien und die Papier-, Zellstoff- und Faserindustrie boten bis dahin nicht gekannte Perspektiven. Menschen, die zuvor vorwiegend in der Landwirtschaft tätig waren, sowie viele Heimatvertriebene aus Osteuropa fanden in der aufstrebenden Holzwirtschaft eine neue Lebensgrundlage.
Waldbewirtschaftung im 20. Jahrhundert
Nach 1945 wurden die Wälder des Attergaues mit Forststraßen aufgeschlossen. Motorsägen, Traktoren, Holzerntemaschinen und Lastkraftwägen mit Ladekränen ermöglichten in der Folge eine intensive Waldnutzung. Vermehrt werden sogenannte Harvester[2] eingesetzt, die in den frühen 1980er Jahren in Skandinavien entwickelt wurden. Das sind zumeist mehrachsige Geländefahrzeuge, die mit einem hydraulischen Kran und verschiedenen Werkzeugen ausgestattet sind. Eine Bedienungsperson führt damit halbautomatisch, die Baumfällung, Entastung, die Längenaufteilung und die Sortierung durch. Zusätzlich können die anfallenden Äste zu Hackschnitzel zerkleinert werden.
Die Aufforstung der geschlägerten Flächen orientierte sich nach hoher Wuchsleistung und gefragten Holzarten. Das führte zur Bildung von Fichten-Monokulturen, die auf den Kahlschlagflächen angepflanzt wurden. Nach erheblichen Schadensereignissen wie Windwurf und Schädlingsbefall (Fichtenblattwespe, Borkenkäfer, Tannensterben) werden mehr Mischwälder mit einem hohen Artenreichtum vor allem an Kleinlebewesen angestrebt. Auch die waldverträgliche Anpassung des Wildbestandes ist ein Anliegen.
Die nachwachsende Holzmenge blieb jedoch in Summe größer als dessen Abholzung. Aus der Waldinventur 2000/02 geht hervor, dass im Bezirk Vöcklabruck noch um 189.000 Festmeter mehr Holz pro Jahr zuwächst als geerntet wird. Trotz Nutzung der Holzressourcen über Jahrhunderte hinweg, sowohl in den kleinen bäuerlichen als auch in den großflächigen Eigentümerstrukturen, kann der Zustand des Waldes im Attergau als zufriedenstellend und nachhaltig bezeichnet werden.
Im Wesentlichen unterscheidet sich die Bewirtschaftungsform der Wälder durch den Kahlschlag einerseits und die Einzelstammentnahme, den sogenannten Plenterwald, andererseits. Beim Kahlschlag werden größere Waldflächen abgeerntet und wieder künstlich mit Jungpflanzen aufgeforstet. Das ermöglicht den rationellen Einsatz von großen Erntemaschinen, Seilkränen und dergleichen.
Im Plenterwald werden einzelne, nach umfassenden Kriterien ausgesuchte Bäume entnommen. Die Naturverjüngung erfolgt durch Samenanflug des vorhandenen Baumbestandes, der mit den vorherrschenden Umweltbedingungen harmoniert. Das erfordert ein hohes Maß an Fachwissen, Sorgfalt und mühevoller Handarbeit. Diese Bewirtschaftungsform ist selten geworden aber nach wie vor im bäuerlichen Waldbesitz gebräuchlich. Sie setzt Naturverbundenheit und die Verantwortung über mehrere Generationen voraus. Solche Wälder sind heute Ziel wissenschaftlicher Lehrveranstaltungen. An vorbildliche Waldbesitzer werden Preise verliehen. Sie finden posthum Anerkennung, weil sie sich über Jahrzehnte wissenschaftlichen Vorgaben widersetzt haben, die sich überwiegend an einer Optimierung der Wuchsleistung orientierte. Ein umfassendes Umweltverständnis misst dieser bäuerlichen Gesamtsicht des Waldes im Nachhinein einen hohen Stellenwert bei.
Ein Beispiel dafür ist im Dexelbacher Wald zu finden. Er gehört zum Moar-Hof der Familie Bruckbacher in Dexelbach, in der Gemeinde Nußdorf am Attersee. In diesem Wald steht auch noch einer der größten Fichtenbäume Oberösterreichs.
Strukturveränderungen
Der internationale Wettbewerb gepaart mit der Verteuerung der menschlichen Arbeitskraft bewirkte auch in der Forstwirtschaft ab den 1960er Jahren einen fortwährenden Rationalisierungszwang. Sowohl in der Waldarbeit als auch in der Verwaltung.
Deutlich wird diese Entwicklung am Beispiel der Österreichischen Bundesforse[3]. Vor 1960 war noch in fast jeder Gemeinde des Attergaues ein Förster beschäftigt, der mit seiner Familie in einem Forsthaus wohnte und für meist mehr als 20 dauerbeschäftigte Forstarbeiter zuständig war. Vierzig Jahre später sind alle ehemaligen Forstverwaltungen des Attersee- und Mondseeraumes aufgelöst.
Die Arbeit in den Wäldern und der Abtransport des Holzes wird fast ausschließlich an selbständige Unternehmen vergeben, die mit modernsten und leistungsfähigsten Gerätschaften ausgestattet sind. Die Präsentation der Türnitzer Forsttage 2010 auf YouTube zeigt die moderne Holzernte im Bergwald mit Vollerntemaschinen wie sie auch im Attergau zum Einsatz kommen.
Die Waldarbeit hat sich zu einem bäuerlichen Nebenerwerb entwickelt. Bauern übernehmen Forstarbeiten auch für andere kleine und größere Waldbesitzer um ihre Maschinen rationell einzusetzen.
Über Jahrhunderte ausgeübtes Handwerk, altes Werkzeug mitsamt dem überlieferten Wissen über seine Handhabung gerät in Vergessenheit. Menschen, die all das noch aus eigener, unmittelbarer Anwendung kennen, haben schon ein hohes Alter erreicht. Vieles ist nur mehr aus Erzählungen bekannt. Freiwillige haben bei der Schindelbaumstube eine alte Holzknecht-Sölln, in der die Holzknechte kochten und übernachteten, vor dem Verfall gerettet und wiedererrichtet. Dort sind auch alte Werkzeuge zu sehen und zwei Holzknechtmarterl zur Erinnerung an verunglückte Forstarbeiter. Es ist ein lohnendes Wanderziel.
Verwandte Themen
- Wald, Ökosysteme, Flora und Fauna
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Bildergalerie
Weblinks
- ↑ siehe Feuchtbodensiedlungen
- ↑ siehe Harvester
- ↑ siehe Österreichischen Bundesforste
Quellen
- Wildholzweg Nußdorf
- Technisches Museum Wien
- Walter Großpointner - Heimatgeschichtliche Sammlung
- Manfred Hemetsberger